758. Der verteufelte Königssohn.

(S. Enslin S. 9 etc. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 60.)


Nach Karls des Großen Tode gingen die Karolinger mit dem großen Kaiserreiche um genau als wäre es ein Gemüsegärtlein. Da wurden die Beete getheilt, dann wieder vereinigt und nochmals getheilt und abermals getheilt, also daß keiner mehr recht wußte, wem das Stück Krautland gehörte und dort das Stück Rübenfeld. Dabei war aber auch noch Zwist zwischen Vätern und Söhnen und Brüdern und Enkeln, so daß man nicht anders denken konnte, als daß der Teufel zwischen sie Zwietracht gesäet habe und dem war auch so. Da wollte Karls Sohn, König Ludwig der Deutsche, wieder Ordnung herstellen und zeigen, wer Herr im deutschen Reiche sei. Er ließ also seine aufrührerischen Söhne Ludwig und Karl nach Frankfurt kommen, denn er war dorthin gezogen um in seinem Palaste das Weihnachtsfest zu feiern, und da sollten seine Söhne bereuen und sich wieder mit ihrem Vater aussöhnen. Sie kamen auch, allein der Teufel war auch da. Als nun der Kaiser ihnen manches harte Wort über ihren Ungehorsam gesagt hatte, da ward es namentlich seinem Sohne Karl leid, daß er gekommen war. Siehe da verwandelte sich der Teufel in einen Engel des Lichts, trat hin zu Karl und sagte ihm ins Ohr: »Sei ruhig, Männlein, und bleibe, denn Du bekommst doch Alles, freilich will es Dein Vater dem Andern geben, aber das wird der Herr des Himmels nicht zugeben!« Da stieg aber dem Karl die Nachricht ins Gehirn, daß er rasend wurde vor Freude und wie besessen in die nächste Kirche rannte, der Teufel aber ließ nicht ab von ihm, sondern folgte ihm auch dorthin und sagte: »Warum stellst Du Dich wie toll bei so erfreulicher Kunde und weshalb [677] fliehst Du mich? Dürfte ich Dir denn an diese heilige Stätte folgen, wenn ich nicht ein Gesandter des Himmels wäre, denn wäre ich ein Geist der Hölle, so wäre mir doch hier der Eingang verschlossen!« So glaubte denn Karl dem Versucher, und dieser reichte ihm sogar das heilige Abendmahl mit eigener Hand, allein mit dem Genuß der Hostie fuhr aber auch der Teufel mit in ihn hinein und so hatte Karl wirklich den Teufel im Leibe. Da kamen sein Vater und die Großen des Reichs und die Bischöfe und viele andere Leute um ihn zu suchen, allein er brüllte laut wie ein Thier und schäumte in teuflischer Wuth, schlug um sich und verfluchte sich und alle Uebrigen und wollte Alles zerschlagen. Sechs Männer konnten ihn kaum halten, er riß Wehrgehenk, Schwert, Gürtel und Kleider vom Leibe und warf sie auf den Boden und der Teufel schüttelte ihn immer heftiger und ob auch der Erzbischof zu ihm trat und eine lateinische Messe las, er kam nicht zur Besinnung, sondern schrie immerfort: »Wehe! Wehe!« Da sprach sein Vater Ludwig zu ihm: »Siehst Du nun, mit wem Du Dich verbunden hast, und wie Alles an den Tag kommt, bekenne Dein Verbrechen, ich will Dir vergeben und Gott wird es auch thun!« Als aber der Teufel Gottes Namen Deutsch hörte, da rüttelte er Karl zum letzten Male heftig und fuhr aus. Karl erkannte sein Unrecht und nannte später die Kirche dem Erlöser zu Ehren Salvatorskirche 1, weil er darin vom Teufel erlöst worden war.

Fußnoten

1 Später hieß sie Bartholomäuskirche, jetzt kurz der Dom (s. S. 688).

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Frankfurt und Umgegend. 758. Der verteufelte Königssohn. 758. Der verteufelte Königssohn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-3958-F