[635] 677) Das vertriebene Gespenst. 1

Ueber den Zellerfelder Kirchhof führt ein Weg, der sonst wenig gegangen wurde, am allerwenigsten aber des Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr. Denn eine lange weiße Gestalt wie eine weißgekleidete Jungfrau hat früher diesen Weg bewacht und Jeden zurückgeschreckt, der ihn hat gehen wollen. Wie man sich einmal davon unterhält, daß die weiße Gestalt mit einem Bunde Schlüssel da alle Nächte stehe und Jedem den Rest gebe, der da durchgehe, entschließen sich zehn kräftige und muthwillige junge Burschen, der Sache auf den Grund zu kommen und begeben sich mit Stöcken bewaffnet auf den Gottesacker. Als sie eben beim Hospital angekommen sind, verlieren sie aber Alle, bis auf einen untersetzten, aber sehr kampflustigen kleinen Mann den Muth. Dieser spricht zu seinen Kameraden: »Gebt mir einen tüchtigen Stock für meine kleine Eiche, dann will ich allein hingehen und sehen, was es giebt.« Man giebt ihm einen tüchtigen Knittel und muthig und trotzig geht er über den Kirchhof. Es ist gerade des Nachts zwischen Eilf und Zwölf gewesen. Da wo der Weg bald aus der Mauer vom Kirchhof herabführt, steht die weiße Gestalt. Er geht darauf zu und sagt laut und deutlich: »Guten Abend!« bekommt aber keine Antwort. Er wendet sich wieder um und spricht: »Guten Ohmd ho ich gesaht.« Wieder keine Antwort. Da geht er wieder zurück und spricht: »Guten Ohmd ho ich gesaht. Seid Ihr denn epper tahb?« Die Gestalt antwortet nicht. Da wird er zornig, greift nach dem Schlüsselbund und schlägt mit dem Stocke nach der Gestalt. Da ist Alles verschwunden und hat sich seit der Zeit nichts wieder auf dem Gottesacker sehen lassen.

Fußnoten

1 S. Pröhle S. 87.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Erster Band. Der Harz. 677. Das vertriebene Gespenst. 677. Das vertriebene Gespenst. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-4344-E