50. Der heilige Reinold.

(Nach Weyden S. 21.)


Der tapferste der vier Haimonskinder, jener berühmten Söhne eines der berühmtesten Paladine Kaiser Karls d. Großen, war bekanntlich Reinold. Allein dieser tapfere Held bekam doch zuletzt Kampf und Abenteuer überdrüßig und beschloß seine Dienste dem Herrn zu weihen. Er legte also niedere Kleidung an und pilgerte durch Deutschlands Gauen. So kam er auch nach Cölln und fand hier Aufnahme in dem St. Petersstifte, wo er sich durch frommen, gottesfürchtigen Wandel auszeichnete, so daß man ihn einen heiligen Mann nannte.

Als nun um diese Zeit Erzbischof Hildebold den Bau des St. Peters-Münster oder des Domes begann, berief er aus allen Gegenden Steinmetzen, Maurer und Werkleute, damit der h. Bau rasch vollendet werde. Reinold, dessen Leben jetzt ganz dem Dienste des Herrn geweiht war, trat auch in die Reihe der Arbeiter und zum Anführer derselben ernannt, ging er ihnen durch das Beispiel des unermüdlichsten Fleißes voran, er schaffte und wirkte mehr, denn vier oder fünf der Rüstigsten. Wenn die Andern rasteten oder zum Imbiß gingen, war er noch immer thätig und trug die schwersten Steine und Werkstücke zum Baue, den er selbst bei Nacht nicht verließ; denn immer konnte man ihn hier im Gebete finden, oder er besuchte die heiligen Oerter der Stadt.

Natürlich ward der St. Peterswerkmann, denn so nannte man ihn, weil er seinen wahren Namen und Stand vor Jedermann sorgfältig verbarg, durch seinen Eifer bald allen seinen Kameraden verhaßt, und sie boten alles was in ihren Kräften stand auf um ihm zu schaden. Allein alle ihre Anschläge wurden zu Schanden. Da sie nun sahen, daß sie nichts gegen ihn ausrichten konnten, so beschlossen sie ihn heimlich aus dem Wege zu schaffen, da sie wußten, daß er jede Nacht bei dem Baue im Gebete wachte oder die Kirchen und geweihten Stätten besuchte.

Zwar offenbarte der Himmel in einem Traumgesichte dem heiligen Manne seiner Feinde Absicht, allein er ließ sich dadurch nicht abhalten, sondern eilte wohlgemuth seinem Märtyrertode entgegen. Als er nun in einer Nacht auf seinem Bußgange bis zu der Stelle kam, wo man später die jetzt niedergerissene St. Reinoldkapelle erbaute, in der Nähe von St. Mauritius, wurde er von den Bösewichtern überfallen und jämmerlich erschlagen. Die Mörder aber steckten den Leichnam in einen mit Steinen beschwerten Sack und warfen ihn in den Rhein, auf daß ihre Missethat also vor der Welt verborgen bliebe. An der Stelle des Rheines aber, wo die Mörder den h. Reinold versenkt, hörten fromme Leute allnächtlich einen gar süßen Gesang und hell glänzte der Strom, als ob es am lichten Mittag gewesen. Keiner konnte sich jedoch dieses Wunders Ursache erklären, bis endlich einer alten kranken Frau eines Nachts, als sie in den heftigsten[68] Schmerzen lag, ein Engel erschien und ihr entdeckte, wie an jener Stelle des Rheins der Körper des St. Peterswerkmanns versenkt liege. Gleich am andern Morgen ließ sich die Frau hinaus zum Ufer bringen, und wirklich sah sie einen Sack über den Fluthen schwimmen, nach dessen Anblick nun, als sie vertrauungsvoll zu Gott gebetet, ihr Gebrechen von ihr wich. Sie zog nun selbst den Sack ans Ufer und alsbald fingen alle Glocken der Stadt ohne alle menschliche Beihilfe an zu läuten und läuteten so lange der Leichnam am Ufer lag. Feierlichst wurde der heilige Leichnam darauf von dem Bischof Hildebold und der ganzen Clerisei in die Stadt gebracht, wo man den ritterlichen Helden, der sich also vor Gott und den Menschen gedemüthigt hatte, an einem goldenen Gürtel erkannte, auf welchem die Worte: »Reinold Herzog von Montalban« gestickt waren.

Durch mancherlei Wunder, die bei dem heiligen Leichnam geschahen, verkündigte der Herr den Gläubigen seine Macht und als die Bürger der Stadt Dortmund, die um diese Zeit auch zum christlichen Glauben bekehrt ward, von den Wunderwerken hörten, wallfahrteten sie gen Cölln und begehrten von dem Bischofe einen Theil der Reliquien, auf daß der Heilige ihre Stadt schütze und sie desto eifriger im Glauben würden. Der Bischof schlug ihnen zwar anfangs ihr Begehren ab, als man aber drei Morgen hintereinander den Leichnam des h. Reinold vor der Klosterpforte stehen sah, so war auch kein Zweifel mehr, daß der Herr dadurch seinen Willen kund gethan habe. Der Bischof übergab also den Bürgern den Leichnam des h. Reinold, daß sie denselben nach ihrer Stadt führen sollten. Als nun derselbe über den Rhein gebracht und sammt dem Kasten, in welchem er sich befand, auf einen Karren geladen worden war, um ihn so in feierlichem Zuge nach Dortmund zu führen, fing der Karren, ohne daß ihn ein Mensch oder Pferd gezogen, von selbst an sich fortzubewegen, und stand erst in der Stadt Dortmund still an der Stelle, wo jetzt das St. Reinoldsmünster, wie es noch zu sehen ist, erbaut worden. Der h. Reinold hat sich aber in Kriegsnöthen stets als tapferer Beschützer der Stadt Dortmund erwiesen, denn er hat in glänzender Rüstung auf der Stadtmauer gestanden und mannhaft die anstürmenden Feinde zurückgetrieben.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Die Rheinprovinz. 50. Der heilige Reinold. 50. Der heilige Reinold. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-4B75-B