212. Die Sagen von der Burg Greiffenstein.

(Nach Bergemann, Beschreibung der alten Burgveste Greiffenstein [Bunzlau 1833] S. 175 bis 364, bei Gödsche S. 223 etc. Fischer, Gesch. der Burgvesten Preußens Bd. I. S. 227 etc.)


Die Burg Greiffenstein im Löwenberger Kreise, 3/4 Meilen von Greiffenberg auf einem 1360 Fuß hohen Basaltkegel gelegen, gehört zu den schönsten [236] Ruinen des Schlesischen Landes und soll ihren Namen davon haben, daß bei dem Bau derselben die Arbeiter auf dem Gipfel des Berges ein Nest mit jungen Greifen gefunden hätten, worauf Herzog Boleslav der Lange ihr (1198) den Namen Greiffenstein zur Erinnerung daran beigelegt habe. Anders aber erzählt diesen Umstand die Volkssage und bringt denselben mit dem Begründer der Schafgottschen Familie in Verbindung.

Im 14. Jhdt. wohnten am Fuß des sich zwischen den Städtchen Friedland und Greiffenberg hinziehenden Waldgebirges friedliche Hirten, allein plötzlich ward die ganze Gegend unsicher gemacht durch einen ungeheuern Greif, der sich in dem undurchdringlichen Walde am Queis ein Nest gebaut hatte und zum Futter für seine Jungen tagtäglich Menschen und Thiere raubte und dorthin trug. Niemand wagte mehr sein Vieh auf die Weide zu treiben oder das Feld zu bestellen, aus Furcht von dem Ungeheuer entführt zu werden, und so trat natürlich dort allgemeine Hungersnoth ein, darum ließ der Herzog Bolko durch seine Herolde großen Landbesitz und eine mächtige Summe Geld dem versprechen, der es übernehmen wolle, die Landschaft von dieser Plage zu befreien und den Vogel sammt seiner Brut zu vertilgen. Als sich aber Niemand durch die Hoffnung auf so reichen Gewinn bewegen ließ, das Wagstück zu unternehmen, dabei aber das Elend unter den Bewohnern jener einst so lachenden Auen immer größer ward, da ließ der Herzog dem, der das Ungethüm erlegen werde, außer der versprochenen Belohnung auch noch die Hand seiner einzigen Tochter Agnes verheißen. Nun wohnte aber in der Nähe des Kalenberges und der Neuburg ein junger Schäfer, Gottsche Schaf mit Namen, ein muthiger und stattlicher Jüngling, der täglich seine Heerde ins Gebirge zu treiben pflegte. Derselbe hatte aber einstmals die schöne Herzogstochter auf Burg Lehnhaus gesehen und sich sterblich in dieselbe verliebt. Er beschloß also für den Besitz derselben sein Leben zu wagen. Er begab sich demnach eines Tages nur mit einer Stange und mit einer scharfen Axt bewaffnet aus seinem väterlichen Hause ins Gebirge um vorerst das Nest des Vogels zu suchen. Allein er strich bereits mehrere Tage durch den dichtesten Wald ohne dasselbe entdecken zu können und wollte schon sein Unternehmen in halber Verzweiflung aufgeben, als er am dritten Tage, nachdem er schon die mitgenommenen Lebensmittel fast aufgezehrt und vor Ermattung kaum noch weiter konnte, nachdem er sich zum Ausruhen auf den Boden geworfen, plötzlich über sich ein starkes Rauschen vernahm und den Greif erblickte, wie er ein starkes Rind zwischen seinen Klauen haltend sich auf einmal aus der Luft auf den Gipfel eines in der ganzen Umgegend unter dem Namen der Mahleiche wohl bekannten ungeheuern Baums niederließ. Gleichzeitig vernahm er nun auch aus der Höhe das gierige Geschrei seiner hungrigen Jungen. Er wußte nun, wo das Nest war, und hatte weiter nichts zu thun, als während der Nacht ein sicheres Versteck zu suchen, denn daß der alte Greif am nächsten Morgen wieder nach Beute ausfliegen werde, sah er mit Recht als gewiß an. Als nun der alte Vogel, wie er erwartet, ausgeflogen war, sammelte Gottsche in er Nachbarschaft der Eiche dürres Reisig, band es zu einem Bündel zusammen und befestigte es an einer Stange, worauf er ein Stück an der Eiche hinaufklomm, dort machte er Feuer, zündete das Reisigbündel an, und als dasselbe hell loderte, hob er es vermittelst der [237] Stange bis zum Wipfel des Baumes empor und zündete so von unten das Nest an. Die jungen Greife, welche noch nicht flügge waren, erhoben zwar ein gräßliches Geschrei, allein sie mußten bald in den das Nest von allen Seiten umgebenden Flammen verbrennen. Mittlerweile war der alte Vogel durch das Jammergeschrei seiner Jungen wieder nach seinem Neste gelockt worden, allein dadurch, daß er über dem brennenden Neste herumflatterte und mit dem Schlage seiner ungeheuern Fittige das Feuer auszulöschen versuchte, kam er selbst in Todesgefahr, die aufschlagenden Flammen verbrannten ihm die Schwungfedern und er stürzte jählings zur Erde hinab. Da kam Gottsche schnell herbei und schlug mit seiner großen Stange derb auf das Ungethüm los, zwar wehrte sich dasselbe mit Schnabel und Klaue, allein es war zu unbeholfen und so gelang es dem kühnen Jüngling bald, demselben mit einem gutgezielten Schlage der Axt den Kopf vom Rumpfe zu trennen. Er begab sich darauf nach der Hütte seines Vaters zurück, erzählte dort was er vollbracht und zog dann, umringt von seinen frohlockenden Nachbarn, nach der Mahleiche zurück, dort sammelten sie aus der Asche die Köpfe der drei jungen Greife, den alten aber umschlangen sie mit starken Seilen und schleppten ihn so von zwei tüchtigen Ochsen gezogen nach Neuburg, wo der Herzog damals Hof hielt, um ihm das erlegte Unthier zu zeigen, gleichzeitig aber auch für Gottsche die versprochene Belohnung zu verlangen. Als man dem Herzog das Geschehene erzählt, stand derselbe auch keine Minute an, sein gegebenes Wort zu erfüllen, er hieß ihn niederknieen und schlug ihn zum Ritter, verlobte ihn auch auf der Stelle mit seiner Tochter, obwohl seine Edelleute gewaltig murrten, daß er einem armen Schäfer seine Prinzessin vermählen wolle. Als Mitgift gab er ihm die Neuburg, die er zum Andenken an seine That Greifenstein nannte und befahl ihm dann, beim Aufgange der Sonne am nächsten Morgen seine Schafheerde aus dem Schloßthore zu treiben, soviel Land er bis zum Untergange der Sonne damit umziehen werde, das solle sein Eigenthum sein. Dies that er auch und am nächsten Abend war er einer der reichsten Herrn des Landes Schlesien.

Indeß fiel es ihm nicht ein auf die sofortige Vermählung mit der Herzogstochter zu dringen, er wollte sich einer solchen Erhöhung erst würdig zu machen suchen. Deshalb bat er seinen künftigen Schwiegervater ihm Unterricht in allen adeligen Künsten und Wissenschaften geben zu lassen, und als er dieselben hinreichend kennen gelernt zu haben glaubte, zog er hinaus ins Reich zum Heere des Kaisers. Dort fand er Gelegenheit, seinen Muth zu zeigen, und gar bald ward das Auge des Kaisers auf ihn gelenkt, er nahm ihn zu seinem Waffenträger an, und nachdem derselbe in einer großen Schlacht so glücklich gewesen war, durch seine Tapferkeit das Meiste zum Erringen des Sieges beizutragen, schlug er ihn zum Ritter, erhob ihn in den Grafenstand und gab ihm den Namen Schaffgotsch. Als Wappen bekam er ein Schaf, dasselbe änderte sich jedoch späterhin etwas. Denn einer seiner Söhne, Gottsche Schaf II. (nach andern Berichten wäre er es jedoch selbst gewesen), der ebenfalls den Dienst eines Waffenträgers bei Kaiser Karl IV. (um 1377) versah, soll in einer Schlacht bei Erfurt ebenfalls an seines kaiserlichen Herrn Seite Wunder der Tapferkeit verrichtet haben. Nach errungenem Siege bot ihm der Kaiser die Hand, weil aber von Schaffgotsch's Händen Blut aus den erhaltenen Wunden herabträufelte, [238] so wischte er seine Rechte am Panzer rein und nachdem er über das blanke Metall mit den Fingern hinweggefahren war, sah man auf der Spiegelfläche desselben die Spuren. Da rief der Kaiser: »Zur Erinnerung für alle Zeiten daran, daß Du für mich Dein Blut vergossen, füge ich Deinem Wappen, dem Schafe, heute für die Zukunft die vier blutigen Streifen hinzu, welche Deine Finger gemacht haben!« Und seit dieser Stunde führen die Schaffgotsche noch das Wappen 1.

Nachdem nun der tapfere Gotsche bereits zwei Jahre abwesend gewesen war und seine Braut auf ihn harrte, da hielt ihr Vater, der Herzog Bolco, ein großes Turnier auf der Veste Lehnhaus ab und viele Ritter strömten dahin zusammen, um sich einen Preis ihrer Tapferkeit und Geschicklichkeit zu erkämpfen. Schon war die Festlichkeit bald zu Ende und eigentlich noch ziemlich unentschieden, wer der Sieger sei, da ritt noch ein fremder, schwarz geharnischter Rittersmann, der im Schilde als Devise drei Greifenköpfe führte, in die Kampfbahn ein und nannte den Kampfrichtern einen unbekannten Grafennamen. Da er das Visir heruntergelassen hatte, konnte Niemand seine Gesichtszüge erkennen, der schönen Agnes aber pochte das Herz gar ängstlich, denn sie ahnte, wer der Ritter sein könne. Mittlerweile nahm aber derselbe den Kampf mit allen denen auf, die bisher am nächsten zur Erringung des Siegespreises gewesen waren, er streckte in kurzer Frist einen seiner Gegner nach dem andern in den Sand, und so führten ihn die Kampfrichter dann zu dem Sitze der Prinzessin, um aus ihrer Hand den Dank zu erhalten. Hier mußte er natürlich das Visir öffnen und die schöne Agnes erkannte in dem wettergebräunten Tapfern die Züge ihres sehnlichst erwarteten Verlobten. Nun ließ aber auch die Vermählung mit ihr nicht mehr lange auf sich warten, Ritter Schaffgotsch ward der Stammvater des noch blühenden Geschlechtes; die Burg Greiffenstein, obwohl längst in Trümmer gesunken, behielt ihren Namen bis auf den heutigen Tag und übertrug ihn auch auf das an ihrem Fuße erbaute Städtchen Greiffenberg. Der Ritter erbaute aber seinem Vater, der ein Schäfer bleiben wollte sein Leben lang, eine große Schäferei dem Maiberge gegenüber und aus dieser ist später das Röhrsdorfer Vorwerk entstanden.

Fußnoten

1 Diese Wappensage ist poetisch behandelt bei Ziehnert Bd. III. S. 126 etc. S.a. Gödsche S. 246.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Schlesien und die Niederlausitz. 212. Die Sagen von der Burg Greiffenstein. 212. Die Sagen von der Burg Greiffenstein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-52F2-9