140. Der Doctorwein.

(Nach Merck S. 152 etc.)


Noch bis heute nennt man den bei Berncastel wachsenden Wein den Doctorwein und zwar aus folgendem Grunde. Im Jahre 1360 lag Erzbischof [157] Boemund II. schwer am kalten Fieber auf seiner Burg Berncastel darnieder, Aerzte über Aerzte wurden verschrieben, Tränke über Tränke gebraut, allein keiner vermochte das kalte Fieber zu vertreiben. Da ließ der Erzbischof in seiner Herzensangst im ganzen Erzbisthum bekannt machen, wer ihm das Fieber zu bannen vermöge, der solle nur kommen und der reichsten Belohnung gewärtig sein. Da trug es sich zu, daß ein alter Ritter auf dem Hunsrück von dieser Bekanntmachung Kunde bekam und da derselbe aus Erfahrung wußte, daß der Berncasteler Wein die Kraft habe, Fieber zu heilen, so beschloß er dem Erzbischof ein Fäßchen alten Weins dieser Sorte selbst zu überbringen, vielleicht daß es auch dem Erzbischof helfe. Er fuhr also nach Berncastel und ließ sich bei dem Kirchenfürsten als den Mann melden, der gekommen sei, ihn zu heilen, und als er vor ihn geführt ward, trug er das Fäßchen mit Berncasteler Wein auf der Schulter. Der Erzbischof machte große Augen über den sonderbaren Doctor, denn er meinte, das Faß sei voll Arznei, die er austrinken müsse, allein wie staunte er erst, als der Ritter den Zapfen öffnete und einen Becher Weins herauslaufen ließ, den er ihn austrinken und alle Doctoren zum Teufel jagen hieß. Das kalte Fieber schwand wirklich durch diese Cur nach wenigen Wochen und davon heißt der Wein noch bis auf den heutigen Tag der Doctorwein.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Die Rheinprovinz. 140. Der Doctorwein. 140. Der Doctorwein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5A4B-7