840. Der Trompeter und das seltsame Kegelspiel.

(Poetisch behand. v. Henninger a.a.O. Bd. I. S. 220 etc.)


Am Geisberge steht heute noch eine sogenannte Trauereiche, d.h. eine Eiche, deren äußerste Zweige so dünn sind wie die der babylonischen Weide und auch gleich dieser zur Erde herabhängen. Sie ist keine eigene Gattung der Eichen, sondern nur eine Art Naturspiel. Unmittelbar daneben zeigt man einen Raum, der einige Aehnlichkeit mit einer Kegelbahn hat. Man erzählt sich hierüber folgende schauerliche Sage. In dem umliegenden Walde hauste eine Räuberbande, ihr Hauptmann ein grausamer Wütherich pflegte an jener Stelle mit seinen Leuten Kegel zu schieben, aber so daß die neun Kegel Schenkelknochen von Ermordeten waren und die abgehauenen Köpfe derselben zu Kugeln dienten. Einst schoben sie auch hier dieses greuliche Spiel, und zufällig war ihnen einer der Kegel abhanden gekommen, da hörten sie ein lustiges Reiterstücklein durch den Wald klingen, ein mainzischer Hoftrompeter, der vom Churfürsten eine Botschaft nach Idstein zu besorgen gehabt hatte, kam arglos in der Abenddämmerung den einsamen Weg zurückgeritten und vertrieb sich die Zeit mit Blasen. Plötzlich fielen ihm aber die Wegelagerer aus dem Dickicht heraus in die Zügel, rissen ihn herab vom Pferde und hießen ihn, sich zum Tode bereit zu machen. Gelassen bat er sie, sie möchten ihm erlauben, noch sein Leibstückchen vor seinem Ende zu blasen. Dies gestatteten sie ihm auch, er stieg also hurtig an den Zweigen jener Trauereiche empor, stellte sich hochoben, sich an dem Wipfel anhaltend, hinaus ins Freie und schmetterte das fromme Lied: »Wenn wir in höchsten Nöthen sind« hinaus in die Lüfte. Als es jedoch den Bösewichtern zu lange dauerte, schoß [733] ihn einer derselben herunter. Schnell zerlegten sie nun den Körper des Unglücklichen, trennten das Fleisch von den Knochen und fingen an, wie gewöhnlich zu kegeln. Allein die nach Mainz zu stehende Luftströmung hatte die ängstlichen Klänge bis zu dem Schlosse des Churfürsten getragen, beunruhigt, daß sein Trompeter noch nicht zurück sei und was überhaupt jenes Lied zu bedeuten habe, sandte er ihm eine Anzahl seiner Leibhusaren entgegen und diese überraschten die nichts ahnenden Bösewichter gerade in dem Augenblicke, als der Hauptmann mit dem Kopfe des Trompeters alle Neun geschossen hatte. Die Räuber wurden nach kurzem Kampfe sämmtlich gefangen und zu Mainz gehängt.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Nassau. 840. Der Trompeter und das seltsame Kegelspiel. 840. Der Trompeter und das seltsame Kegelspiel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5B63-9