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An Johann Heinrich Meyer

Am 22. May schickte ich noch einen recht langen und ruhigen Brief an Sie fort und den 25. die Anweisung auf Neapel, seit der Zeit haben sich die Aussichten sehr geändert, Italien ist von den Franzosen überschwemmt und mir der Weg zu Ihnen abgeschnitten. Wahrscheinlich trifft Sie dieser Brief nicht mehr in Rom, ich will die alte Adresse darauf setzen und man wird ihn Ihnen nachschicken. In welches Unglück ist das schöne Land gerathen! wie unübersehlich sind die Folgen! Hier wissen wir noch nicht einmal gewiß ob die Franzosen in Bologna sind, aber das ist leider nur zu deutlich: daß sie um den Lago di Garda herum in Tirol, durch Graubündten in [87] Deutschland einzudringen gedenken, vom Oberrheine muß man daher Verstärkungen in jene Gegenden schicken und in kurzem wird man alles was Clairfait über den Rhein wieder erobert hatte, verlassen und sich auf Mainz und Manheim zurückziehen müssen. Auf dem rechten Ufer haben die Franzosen auch schon wieder Glück gehabt und von Düsseldorf bis an die Lahn ist schon alles wieder in ihren Händen. Es läßt sich nicht voraussehen was zwischen heut und dem Tage da dieser Brief zu Ihnen gelangen kann für ungeheure Begebenheiten möglich sind.

Fahren Sie fort wo Sie auch sind nach unsern Zwecken zu arbeiten und schreiben Sie mir nur oft, ich billige sehr, daß Sie nach Neapel gehen, Sie finden dort eine reiche Erndte, es ist nicht wahrscheinlich, daß die Franzosen dort hinkommen, die Italienischen Staaten müssen sämmtlich wie der König von Sardinien ungesäumt Friede machen.

Ich habe bisher fortgearbeitet, eben als wollte ich im August meine Reise antreten. Mein Roman wird bald fertig seyn, für Schiller ist auch gesorgt und in meinem Hause ist alles in Ordnung, nun kann ich weiter nichts thun als irgend eine andere Arbeit vornehmen, meine Collectaneen zur Kenntniß von Italien zu vermehren und Ihnen von Hause aus entgegen zu arbeiten. Sehen Sie sich indessen in Neapel und in der Gegend um, wie Sie es in Rom gethan haben, ich fürchte nicht, daß Sie etwas zu einem Rückzuge [88] nöthigen soll. In kurzer Zeit muß sich vieles aufklären und ich werde nichts vornehmen, was von innen unserm Plane widerstreben könnte.

Schreiben Sie mir doch ob Sie etwas von den beyden jungen Gutenhovens wissen? der jüngere ist nun auch nach Italien um als Maltheser seine Ritterzüge anzutreten, die Mutter hat lange nichts von beyden gehört.

Alles grüßt Sie und erkundigt sich nach Ihnen. Leben Sie recht wohl. Hier liegt denn auch ein Brief an Hackert bey, lassen Sie mich ja bald etwas von Sich hören.

Für die beyden kleinen Monumente danke ich recht sehr. Wir wollen es wohl bey dem Italienischen lassen, indessen ist doch auch das andere in seiner Art eine recht freundliche Idee.

Ich will Ihnen künftig alle 8 Tage schreiben und wenn es nur wäre Sie von der Lage der Sachen in Deutschland zu benachrichtigen, dem eine sonderbare Revolution bevorsteht. Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns in unsern Wesen beharren, das Ganze kümmert sich nicht um uns, warum sollten wir uns mehr als billig um das Ganze bekümmern.

Weimar den 13. Junius 1796.

G. [89]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6BF4-9