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An Friedrich Schiller

Nach meiner langen Einsamkeit macht mir der Gegensatz viel Vergnügen. Ich gedenke auch noch die nächste Woche hier zu bleiben.

So eine Messe ist wirklich die Welt in einer Nuß, wo man das Gewerb der Menschen das auf lauter mechanischen Fertigkeiten ruht, recht klar anschaut. Im ganzen ist übrigens so wenig, was man Geist nennen möchte, daß alles vielmehr einem sogenannten thierischen Kunsttrieb ähnlich sieht.

Von dem, was man eigentlich Kunst nennt findet sich, man darf dreist sagen, in dem was der Moment producirt, keine Spur.

Von Gemählden, Kupfern und dergleichen findet sich manches Gute, aber aus vergangenen Zeiten.

Ein Portrait von einem Mahler, der sich jetzt in Hamburg aufhält, das bey Bausen steht, ist von einem unglaublichen Effect; aber auch gleichsam der letzte Schaum, den der scheidende Geist in den Kunststoffen erregt. Eine Wolke für eine Juno.

In dem Theater wünschte ich Sie nur bey Einer Repräsentation. Der Naturalism und ein loses, unüberdachtes Betragen, im Ganzen wie im Einzelnen, kann nicht weiter gehen. Von Kunst und Anstand keine Spur. Eine Wiener Dame sagte sehr treffend: die Schauspieler thäten auch nicht im geringsten als [62] wenn Zuschauer gegenwärtig wären. Bey der Recitation und Declamation der meisten bemerkt man nicht die geringste Absicht verstanden zu werden. Des Rückenwendens, nach dem Grunde Sprechens ist kein Ende, so gehts mit der sogenannten Natur fort, bis sie bey bedeutenden Stellen gleich in die übertriebenste Manier fallen.

Dem Publikum hingegen muß ich in seiner Art Gerechtigkeit wiederfahren lassen, es ist äußerst aufmerksam, man findet keine Spur von Vorliebe für einen Schauspieler das aber auch schwer wäre. Man applaudirt öfters den Verfasser, oder vielmehr den Stoff den er behandelt, und der Schauspieler erhält gewöhnlich nur beym Übertriebenen lauten Beyfall. Dieß sind, wie Sie sehen, alles Symptome eines zwar unverdorbenen, aber auch ungebildeten Publikums, wie es eine Messe zusammenkehrt.

Nun leben Sie wohl und gedencken mein. Mündlich noch gar manches.

Leipzig d. 4. May 1800.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1800. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6C65-3