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An Friedrich Jacob Soret

Aus meiner Dornburger Einsamkeit wende ich mich an Sie, mein Theuerster, da ich doch manches zu berichten habe.

Bey dem schmerzlichen Zustand des Inneren mußte ich wenigstens meine äußern Sinne schonen und begab mich nach Dornburg, um jenen düstern Functionen zu entgehen, wodurch man, wie billig und schicklich, der Menge symbolisch darstellt was sie im Augenblick verloren hat und was sie dießmal gewiß auch in jedem Sinne mitempfindet.

Herr v. Spiegel hat mir, in anhoffender Genehmigung Ihro Königlichen Hoheit, einige Zimmer in dem Schlößchen vergönnt, wo die ganze Umgebung auf ein äußeres behagliches und vollkommen anmuthiges Daseyn deutet und für den augenblick das [173] Gefühl gibt, daß eigentlich keine Trauer in der Welt seyn sollte.

Hier liegen die Weinberge vor meinem Fenster, die unser Fürst noch vor drey Jahren anlegte und deren Früchte, wie von so manchem andern Gepflanzten, die Nachkommenschaft genießen wird.

In dieser absoluten Einsamkeit nun gelang es mir, die zwey Bände der Organographie des Herrn De Candolle mit stetiger Aufmerksamkeit durchzulesen, die Tafeln mit dem Text zu vergleichen, dabey aber unser Vornehmen immer im Auge zu behalten. Nun sag ich mit Vergnügen, besonders auch zu Ihrer Aufmunterung zu der in den Händen habenden Arbeit: daß dieses Werk zu unsern Zwecken höchst förderlich ist und daß es uns den besten Anlaß gibt, jene zwey wichtigen Vorstellungsweisen bey Behandlung der Natur in ein glückliches und faßliches Gleichgewicht zu bringen. De Candolle ist schon so weit vorgegangen daß kein Widerstreit irgend entstehen kann, nur hie und da wird eine Ausgleichung kleiner Differenzen nöthig, wie bey jeder Annäherung, und dieß wird alles diplomatisch, zierlich und galant zu bewirken seyn, ich will im Deutschen möglichst das Maaß zu halten suchen und die französische Übersetzung mag sodann unserm Vortrag die sicherste Vollendung geben.

Die Einleitung ist entworfen, ja gewissermaßen geschrieben; nun wird sich aber auch eine Schlußrede[174] nöthig machen; jene würde das Allgemeine, diese das Besondere enthalten. Dabey dürfte, wie schon gesagt, nirgends von Differenz, sondern nur von Ausgleichung, nirgends von Gegensatz, sondern nur von Verständigung die Rede seyn.

Ich glaube durch Gegenwärtiges Ihren Muth zu Fortsetzung des Begonnenen insofern es nöthig wäre gestärkt zu habe. Da Sie sich früher so manche Vorkenntnisse auch in diesem Fach erworben, so ist Ihnen hierin nichts fremd und es wird gewiß sehr angenehm seyn, dieser Wissenschaft sich wieder in einem bedeutenden Augenblicke zu ergeben, wo wir hoffen dürfen, weit mehr und kräftiger zu wirken als wir uns früher vorsetzen und überreden durften.

Auch werden uns diese würdige und weit ausdeutende Gegenstände zu einer lebendigen Unterhaltung dienen, die Belvederischen Schätze werden uns durchaus die erwünschtesten Beyspiele liefern und wir dürfen uns diesen Betrachtungen um so freudiger hingeben, als wir dabey die hohen Absichten und Zwecke unsres verewigten Gönners immer im Auge behalten und bey unsern Bemühungen zugleich sein Andenken zu feyern berufen sind.

Gegenwärtig seh ich in meiner Abgeschiedenheit nur erst recht dem wünschenswerthen Glück entgegen, mich in Ihrer Gesellschaft auch der botanischen Werke unsrer Bibliothek zu erfreuen; wir sind alsdann wohl im Stande, uns die sämmtlichen von De Candolle [175] citirten Tafeln in den verschiedensten und wichtigsten Büchern vor Augen zu stellen und uns im Sinne dieses werthen Mannes vollkommen zu unterrichten.

Hier will ich abschließen mit Bitte, mich Ihro Königlichen Hoheit, aller hohen und werthen Umgebung auf's beste zu empfehlen, einigermaßen, wie ich wohl bekennen will, müde von allen den Anstrengungen die ich mir gab mich diesen Tag zu zerstreuen.

treu gesinnt wie bekannt

Dornburg den 10. Juli Abends 1828.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Friedrich Jacob Soret. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CD5-7