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An den Großherzog Carl August

Durchlauchtigster Großherzog,
gnädigst regierender Fürst und Herr!

Zwey Jahre sind nun verflossen, daß es den höchsten Herrn Erhaltern der Universität Jena gnädigst gefallen, unterzeichneter Behörde die Angelegenheit der[106] Universitätsbibliothek zu übertragen; wobey ihr zugleich befohlen ward, die Auffrischung und Erweiterung des Locals zu besorgen, die Schloßbibliothek zu vereinigen und überall zu künftiger Erhaltung, Verwahrung und Gebrauch die diensamsten Vorkehrungen zu treffen.

Wie dieses nach und nach, planmäßig, geleistet worden, hat man von Zeit zu Zeit schuldigen Bericht erstattet und sich darauf beyfälliger Resolutionen und fördernder Beyhülfe zu erfreuen gehabt. In diesen Rücksichten sey es erlaubt, die Übersicht des Geschehenen theils kürzer, theils umständlicher darzulegen, wie solches zur schnelleren Beurtheilung des Vergangenen, Gägenwärtigen und Zukünftigen sich nöthig machen dürfte.

In Gefolg dieser sämmtlichen Operationen sind nunmehr alle Räume, von der Thurmtreppe an der Kirchseite bis zu der Treppe an der Gartenseite, in vollkommene Verbindung gebracht. Ferner ward, um von dem untern großen Saale so wie von den Arbeitszimmern alle Feuchtigkeit möglichst zu entfernen, der innere Hof vertieft, das Erdreich von der Gartenseite erniedrigt, die Mauer nach dem Garten zu weggebrochen, die Fenster zum Theil erneut, theils neu gefertigt und was sonst erforderlich, neu aufgeführt oder reparirt und zuletzt auch die durchaus fehlenden Stühle und Tische angeschafft.

Schließlich ist noch zu bemerken, daß außer der[107] Buderischen Bibliothek und dem großen Saal, welche in ihrem vorherigen Zustand geblieben, alle die übrigen Räume theils gereinigt, theils in Farbe gesetzt, auch die vorhandenen Bildnisse chronologisch und schicklich angebracht worden.

Das ältere Expeditionszimmer ward durch ein Gitter getheilt, um das Geschäft des Ausgebens und Einnehmens zu beruhigen und zu sichern, der große anstoßende Vorsaal durch Einziehung einer Wand in ein zweytes Expeditionszimmer und einen Gang getheilt; eine Treppe in's juristische Auditorium geführt und dasselbe gleichsam in einen Bibliotheksaal verwandelt; die alte zugemauerte Communication mit der Buderischen Bibliothek ward geöffnet und in den heitern trocknen Saal die Manuscripte aus dem feuchten Gewölbe heraufgebracht; sodann der daran stoßende kleine Vorsaal durch Wegbrechen einer Wand erhellt und nutzbar gemacht; ohne Weiteres eine Thüre in das medicinische Auditorium gebrochen und dieses zum geräumigen Bibliotheksaal hergestellt, auch durch ein angebrachtes neues Fenster mit den besten Lichte versehen.

Gehen wir nun zu den eigentlichen Bibliotheksarbeiten über; so ward ein Vermehrungsbuch eingeführt, worin alle neuangeschafften und sonst eingehenden Bücher eingeschrieben werden, wodurch eine Controlle sowohl der Rechnung als der Katalogen gegründet ist. Ferner wurde ein Ausleihebuch eingerichtet, [108] worin die jedesmal ausgegebenen Bücher eingezeichnet werden, wodurch die Sicherheit der verliehenen Schriften bestätigt, besonders auch die Übersicht der Restanten erleichtert wird. Wobey zu beachten ist, daß eben diese Bücher, bey künftigen Revisionen zum Grunde gelegt, der Einsicht und Beurtheilung des Geschäfts höchst förderlich seyn werden, indem daraus vorzüglich die Zunahme und Erhaltung der ganzen Anstalt am sichersten hervorgeht.

Ziehen wir nun das Bibliotheksgeschäft ferner in Betrachtung; so zeigt sich bey demselben der Transport der Schloßbibliothek als die Hauptsache. Voriges Jahr waren die Bücher zur Hälfte herübergebracht und zwar der naturhistorische, medicinische und diesen Wissenschaften verwandte Theil. Man stellte die in diese Fächer gehörigen Werke in dem dazu bestimmten und eingerichteten juristischen Auditorium auf, wohin die Bücher der Universitätsbibliothek schon gebracht worden waren.

Naturgeschichte, Botanik, Medicin, Chemie, Physik, Mathematik, Technik und Ökonomie wurden methodisch aufgestellt, die Revision der hiezu vorhandenen Zettel vorgenommen und wo solche fehlten, neue geschrieben.

Da voraus zu sehen war, daß diese Arbeiten durch den Winter würden unterbrochen werden; so hatte man das zweyte Expeditionszimmer ebenfalls mit [109] Repositorien versehen und die glottischen Werke, welche, wie billig, den Bibliothekaren immer zur Hand seyn sollten, sowohl aus der akademischen als Schloßbibliothek zusammengebracht, da denn den Winter über die methodische Aufstellung derselben, die gleichlautende Signirung der Zettel und Bücher vollbracht und zugleich der Nominal-Katalog begonnen ward.

Bey diesen Geschäft fiel deutsch in die Augen, welch ein großer Vortheil der akademischen Bibliothek durch Vereinigung mit der Schloßbibliothek zuwachse, indem erstere für die hebräische und verwandten Sprachen und alles, was sich auf theologische Zwecke bezieht, genugsame Hülfsmittel darreichte, die Schloßbibliothek dagegen sowohl die neuern als die Sprachen fremder Völker und was zur allgemeinen Weltgeschichte nöthig ist, erfreulich lieferte.

Indessen hatte man den großen medicinischen Hörsaal gleichfalls der Bibliothek zugeeignet, die Repositorien der Schloßbibliothek nach und nach hingeschafft und in derselbigen Maaße auch die zweyte Hälfte der Bücher, bestehend aus politischer und Literärgeschichte und was denselben anhängig, transportirt und in der alten Ordnung aufgestellt.

Indem sich nun ein Theil des Personals hiemit beschäftige, setzte Professor Güldenapfel seine Arbeiten in der Glottik fort und wandte sich, da dieses Geschäft beendigt war und die Jahreszeit es erlaubte, wieder hinauf zur Naturgeschichte und wird sich von[110] dieser Arbeit nicht eher abwenden, als bis solche vollendet ist.

Indessen wollte man die Buderische Bibliothek nicht ganz unbeachtet lassen, besonders da man sich überzeugt hatte, daß gar manches nöthig sey, um sie in sich selbst aufzuklären. Dieses ganz abgesonderte Geschäft konnte man also dem Vulpius gar schicklich übertragen, welcher denn die Buderischen und Sagittarischen Manuscripte vor allen Dingen katalogirte, sodann auch ältere Paquete novellistischer Hefte vom Ende des sechzehnten und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts, wo noch keine Zeitungen veranstalten waren und wichtige Begebenheiten an das Publicum einzeln gebracht wurden, sonderte, ordnete und binden ließ.

Sodann fand sich in dem vergangenen Frühjahr, daß die Zettel der akademischen Bibliothek zwar vorhanden, aber nicht geordnet waren. Weil nun bey dem neuen Unternehmen die Hauptsache ist, daß, wenn ein oder das andere Fach vorzunehmen bliebt wird, auch die Zettel desselben sogleich vorliegen; so übergab man Rath Vulpius auch dieses Geschäft der Sortirung; da er denn, mit Beystand seines Sohnes, über 30000 Zettel nach den verschiedenen Wissenschaften ordnete, so daß nunmehr sowohl was zur Schloßbibliothek gehört als was in der akademischen vorhanden ist, in einzelnen Paqueten zum künftigen Gebrauch vorräthig liegt.

[111] Übrigens konnte man bey dieser Gelegenheit festsetzen, daß die Buderische Bibliothek nach der Absicht des Stifters in ihrer Integrität gar wohl zu erhalten seyn möchte, indem sie schon einigermaßen methodisch gestellt ist und sich gar wohl Repositorien einschieben lassen, wo, dem Buderischen Vorrath gegenüber, jedem Fache antwortende Werke aufgestellt werden können, wie man denn, um die Sache besser zu beurtheilen, ein solches Repositorium zum Versuche angeordnet hat.

Dem Rath Vulpius wird indessen aufgetragen, die Fascikel der Deductionen im Einzelnen zu verzeichnen, um dadurch zur innern Aufklärung und Verbreitung der Kenntniß bis auf's letzte das Seinige beyzutragen. Es ist ein Geschäft, das er in Weimar verrichten kann, indem die Paquet nach und nach hinüber zu senden sind.

Es war freylich schon eine bedeutende Arbeit, beide Bibliotheken dem Körper nach zu vereignen; sie jedoch dem Geist und Sinne nach zu verschmelzen, sie für alle Zeiten brauchbar und zugängig zu machen, jeder Vermehrung dabey freyen Raum zu lassen, fand gar manche Hindernisse, wovon der größte Theil glücklicherweise beseitigt ist. Fortdauernd aber ist die Verspätung des Geschäfts durch das unausgesetzte Ausleihen der Bücher. Man hat aber lieber zu viel als zu wenig thun wollen, um auch den geringsten Schein einer Ungefälligkeit zu vermeiden. Doch wird[112] es zuletzt immer noch die Frage seyn, ob man nicht endlich ein halbes Jahr die Bibliothek schließen solle, um zu einem schnellen und reinen Abschluß zu gelangen; vielleicht wäre hiezu der Sommer des vierten Jahres zu wählen, worüber wir jedoch nur bey'm Abschluß des dritten Arbeitsjahres unterthänigste Vorschläge zu thun wagen dürfen.

Möchten die gnädigsten Herrn Erhalter mit demjenigen einigermaßen zufrieden seyn, was unter gegebenen Umständen von dem angestellten Personal hat geschehen können, da man sich wenigstens gestehen darf, daß durchaus planmäßig, genau und gewissenhaft, besonders in Absicht der Baulichkeiten nach hiesigen Handwerks-Verhältnissen ungemein schnell und wirksam verfahren worden; ja man betrügt sich nicht, wenn man behauptet, daß diese wichtige Anstalt schon jetzt für die Zukunft gegründet sey, und daß nur ein ruhiges, methodisches Fortwirken zu wünschen übrig sey.

Wenn nun aus der Beylage erhellt, daß die sämmtlichen Baulichkeiten mit etwa 2000 rh. ausgeführt worden, zugleich aber die innere Einrichtung, nämlich Transport der Schloßbibliothek, Anschaffung des Papiers und anderer Schreibmaterialien, nicht weniger Schreibgebühren von einem Theil des Katalogs, Remuneration des Personals und was sonst eine zu neuem Umschwunge bewegte Anstalt nöthig machte, durch zwey Jahre mit etwa 700 rh. bestritten worden; so glaubt man eines gnädigsten Beyfalls [113] deshalb sich schmeicheln zu dürfen. Auch werden sich gedachte Summen bey'm Abschluß der Rechnung nur umwichtiges erhöhen, wenn noch einige indessen bezahlte Posten kommen.

Weimar den 1. December 1819.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6D25-D