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An Carl Friedrich Zelter

Freundlichkeit theilnehmend zu gedenken.

Mein Sohn reiste, um zu genesen; seine ersten Briefe von jenseits waren höchst tröstlich und erfreulich; er hatte Mailand, die Lombardei, ihre fruchtreichen Felder, ihre bewundernswürdigen Seen mit tüchtigem frohen Antheil besucht und beschaut, war ebnermaßen bis Venedig und nach Mailand wieder [127] zurückgekommen. Sein ununterbrochenes Tagebuch zeugte von einem offenen, ungetrübten Blick für Natur und Kunst; er war behaglich bey Anwendung und Erweiterung seiner früheren mehrfachen Kenntnisse. Eben so setzte sich's fort bis Genua, wo er mit einem alten Freunde, Herrn Sterling, der mein Verhältniß zu Lord Byron vermittelt hatte, vergnüglich zusammentraf und sich darauf von seinem bisherigen Begleiter, dem Doctor Eckermann, welcher nach Deutschland zurückging, trennte.

Der Bruch des Schlüsselbeins, der zwischen gedachtem Ort und Spezia sich leider ereignete, hielt ihn hier an vier Wochen fest; aber auch dieses Unheil, so wie eine sich dazu gesellende Hautkrankheit, beides in der großen Hitze sehr beschwerlich, übertrug er mit männlich gutem Humor; seine Tagebücher bleiben vollständig, und er verließ gedachten Ort nicht eher, bis er sich in der Umgegend vollkommen umgesehen und sogar das Gebäude der Quarantaine besucht hatte. Einen kurzen Aufenthalt in Carrara, einen längern in Florenz benutzte er musterhaft, durchaus mit folgerechter Aufmerksamkeit; sein Tagebuch könnte einem ähnlich Gesinnten zum Wegweiser dienen.

Hierauf war er, von Livorno mit dem Dampfschiffe abreisend, nach ausgestandenem bedenklichen Sturm, an einem Festtage in Neapel gelandet. Hier fand er den wackern Künstler Herrn Zahn, der bey seinem Aufenthalt in Deutschland zu uns das beste [128] Verhältniß gefunden hatte, ihm freundlichst entgegen kam und sich nun als erwünschtester Führer und Beystand vollkommen legitimirte.

Seine Briefe von dorther wollten mir jedoch, wie ich gestehen muß, nicht recht gefallen; sie deuteten auf eine gewisse Hast, auf eine krankhafte Exaltation, wenn er sich auch in Absicht auf sorgfältiges Bemerken und Niederschreiben ziemlich gleich blieb. In Pompeji ward er einheimisch; seine Gefühle, Bemerkungen, Handlungen in jener Stadt sind heiter, ja lustig-lebendig.

Eine Schnellfahrt nach Rom konnte die schon sehr aufgeregte Natur nicht besänftigen; die ehren- und liebevolle Aufnahme der dortigen deutschen Männer und bedeutender Künstler scheint er auch nur mit einer fieberhaften Hast genossen zu haben. Nach wenigen Tagen schlug er den Weg ein, um an der Pyramide des Cestius auszuruhen, an der Stelle, wohin sein Vater, vor seiner Geburt, sich dichterisch zu sehnen geneigt war. Vielleicht gibt es Gelegenheit in künftigen Tagen, aus seinen Reiseblättern das Gedächtniß dieses eignen jungen Manns Freunden und Wohlwollenden aufzufrischen und zu empfehlen.

und so, über Gräber, vorwärts!

Weimar den 23. Februar 1831.

G. [129]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6D5B-4