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An Friedrich Schiller

Zu meinem Geburtstage, der mir diese Woche erscheint, hätte mir kein angenehmer Geschenck werden können als Ihr Brief, in welchem Sie, mit freundschaftlicher [183] Hand, die Summe meiner Existenz ziehen und mich, durch Ihre Theilnahme, zu einem emsigern und lebhafteren Gebrauch meiner Kräfte aufmuntern.

Reiner Genuß und wahrer Nutzen kann nur wechselseitig seyn und ich freue mich Ihnen gelegentlich zu entwickeln: was mir Ihre Unterhaltung gewährt hat, wie ich von jenen Tagen an auch eine Epoche rechne und wie zufrieden ich bin, ohne sonderliche Aufmunterung, auf meinem Wege fortgegangen zu seyn, da es nun scheint als wenn wir, nach einem so unvermutheten Begegnen, mit einander fortwandern mußten. Ich habe den redlichen und so seltenen Ernst der in allem erscheint was Sie geschrieben und gethan haben immer zu schätzen gewußt und ich darf nunmehr Anspruch machen durch Sie Selbst mit dem Gange Ihres Geistes, besonders in den letzten Jahren, bekannt zu werden. Haben wir uns wechselseitig die Punckte klar gemacht wohin wir gegenwärtig gelangt sind; so werden wir desto ununterbrochner gemeinschaftlich arbeiten können.

Alles was an und in mir ist werde ich mit Freuden mittheilen. Denn da ich sehr lebhaft fühle daß mein Unternehmen das Maas der menschlichen Kräfte und ihrer irdischen Dauer weit übersteigt, so möchte ich manches bey Ihnen deponiren und dadurch nicht allein erhalten, sondern auch beleben.

Wie groß der Vortheil Ihrer Theinehmung für mich seyn wird werden Sie bald selbst sehen, wenn [184] Sie, bey näherer Bekanntschaft, eine Art Dunckelheit und Zaubern bey mir entdecken werden, über die ich nicht Herr werden kann, wenn ich mich ihrer gleich sehr deutlich bewußt bin. Doch dergleichen Phänomene finden sich mehr in unsrer Natur, von der wir uns denn doch gerne regieren lassen, wenn sie nur nicht gar zu tyrannisch ist.

Ich hoffe bald einige Zeit bey Ihnen zuzubringen und dann wollen wir manches durchsprechen.

Leider habe ich meinen Roman, wenige Wochen vor Ihrer Einladung, an Unger gegeben und die ersten gedruckten Bogen sind schon in meinen Händen. Mehr als einmal habe ich diese Zeit gedacht daß er für die Zeitschrift recht schicklich gewesen wäre; es ist das einzige was ich noch habe das Masse macht und das eine Art von problematischer Composition ist, wie sie die guten Deutschen lieben.

Das erste Buch schicke ich sobald die Aushängebogen beysammen sind. Die Schrift ist schon solange geschrieben daß ich im eigentlichsten Sinne jetzt nur der Herausgeber bin.

Wäre sonst unter meinen Ideen etwas das zu jedem Zweck aufgestellt werden könnte; so würden wir uns leicht über die schicklichste Form vereinigen und die Ausführung sollte uns nicht aufhalten.

Leben Sie recht wohl und gedencken mein in Ihrem Kreise. Ettersburg d. 27. Aug. 1794.

Goethe. [185]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1794. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7029-A