6/1953.
An Philipp Christoph Kayser
Ihre Briefe und Bemerckungen machen mir viel Vergnügen und ich finde Ursache Sie zu beneiden daß Sie das Land betreten und durchwandern das ich wie ein sündiger Prophete nur in dämmernder Ferne vor mir liegen sehe.
Da Sie die alte Musick suchen und nicht finden geht es Ihnen recht als käme man die alten Helden aufzusuchen und fände Pfaffen auf ihre Trümmer genistet. Die Kunst ist wie die Geschichte ein Complex davon wir den Effeckt auf einem kleinen Punckte der Würcklichkeit vergebens suchen.
Ihre Briefe habe ich alle erhalten, den letzten von Neapel. Fahren Sie fort mit ruhigem reinem Sinne sich an allen Gegenständen Ihres Faches zu üben, wie angenehm wäre es mir wenn Sie das Verlangen mitzurückbrächten, ein Werck, es sey von welcher Art es wolle zu unternehmen, wie gerne würde ich was ich könnte dazu beytragen. Es wird sich davon reden lassen und wenn ich gleich ietzt in unpoetischen Umständen bin so wird doch dieser schlafende Genius wieder zu wecken seyn.
Hierbey schicke ich Ihnen einen Wechsel auf Lyon. Ich wünsche daß Sie ihn gesund erheben mögen. Schreiben Sie mir von da wie es Ihnen weiter gegangen [314] ist. Leben Sie wohl und gedencken mein zur guten Stunde.
Eisenach d. 24. Jun. 1784
G.