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An Charlotte von Stein

d. 7. Nov.

Das Wetter hat sich gebessert, noch sind Wolcken über den Bergen, der iunge Mond verbirgt sich, ich kann es ihm zulassen, denn eh er voll wird will ich ihn schon wieder an deiner Seite belauschen. O du gute! liebe! Wie hoffe ich daß du mir ein Briefgen zuschicken wirst.

Meine Sachen gehen hier sehr gut, wie wünschte ich einmal dich bey schönem Sommerwetter hier zu sehn! Ach werden wir denn auch, ie wieder Sommer haben? Noch ist an Wilhelm nichts geschrieben, aber korrigirt hab ich in dem fertigen. Mit groser Sorgfalt habe ich es durchgegangen und finde doch daß man es noch besser machen könnte. Wills Gott sollen die folgenden Bücher von meinen Studien zeugen.


d. 8. Nov.

Ich habe heute einen grosen Spaziergang gemacht, den ganzen Graben hinauf, wo mir die Wasser, die das Werck treiben sollen, entgegen kamen und zum[116] erstenmal wieder seit vielen Jahren diesen Weeg machten.

Alle Arten von Wolcken, Duft, Nebel, Gestöber, Geriesel, Schnee, Graupeln wechselten in der Atmosphäre, doch war der Morgen freundlich und fröhlich und die Berge sehr schön.

Hier schicke ich dir vom allerschönsten Moos das artigste und beste Stückgen. Wie Albertingen nach Carlsruh ging, fand ich so ein Stück und schenckte es ihr als Zierrath auf den schwarzen Hut. Seit der Zeit habe ich es nicht wieder finden können. Jetzt erscheints auf einmal. Wahrscheinlich sind die Tellergen eine Art Befruchtung die in diesem Monat vorgeht, in welchem ich seit mehreren Jahren nicht hier war.

Gute esbare Schwämme bringe ich getrocknet mit, du siehst in welchen Classen der Vegetation ich hier lebe.

Ich habe Linnées Botanische Philosophie bey mir, und hoffe sie in dieser Einsamkeit endlich einmal in der Folge zu lesen, ich habe immer nur so dran gekostet.

Ich habe wieder einige artige botanische Ideen, und habe ein Gelübde gethan, diesmal keinen Stein anzurühren.

In meinem guten warmen Stübgen fehlt mir nur deine Gegenwart, alles ist sonst so ruhig und artig.

Ein neuer Schreibtisch den ich mir letztes Frühjahr[117] bestellt giebt auch meinem häuslichen Wesen mehr Anmuth und Bequemlichkeit. Es fehlt nichts als der Thee.

Lebe wohl beste. Ich bin ganz und gar dein, nichts scheidet mich von dir.

Grüse die Schwester und Fritzen.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7334-5