[274] 9/2878.

An den Herzog Carl August

Von meinen Zuständen hätte ich längst einige Nachricht geben und mich Ihrem Andencken empfehlen sollen, hier ist also endlich eine bunte Depesche: Bittschrifften, Anschlage Zettel und besonders ein Versuch von Göttling mit der dephlogistisirten Salzsäure. Er hat gedrucktes Papier von dem ein Blat beyliegt wieder zu Brey gemacht, mit seinem Wasser alle Schwärze herausgezogen und wieder Papier daraus machen lassen wie es beyliegt, das fast weiser als das erste ist. Welch ein Trost für die lebende Welt der Autoren und welch ein drohendes Gericht für die abgegangen. Es ist eine sehr schöne Entdeckung und kann viel Einfluß haben. Bey dieser Gelegenheit hat sich eine alte Idee: hier eine gelehrte Gesellschaft zu errichten und zwar den Anfang ganz prätentionslos zu machen, in mir wieder erneuert. Wir könnten wircklich mit unsern eignen Kräften, verbunden mit Jena viel thun wenn nur manchmal ein Reunionspunckt wäre. Biß Sie wiederkommen soll das Projeckt reifer seyn. Ich habe diese Zeit nur im Lichte und in reinen Farben gelebt und habe wunderbare Versuche erdacht und kombinirt auch die [274] Regenbogen zu großer Voll kommenheit gebracht daß der alte Neubart ausrief: der Schöpfer selbst kann sie nicht schöner machen. Auf der Michaelis Messe gedencke ich das Tracktätchen herauszugeben.

Beym Schloßbau ist manches vorgekommen das uns beschäftigt hat, es war gut daß wir in dieser Zeit hier waren. In etwa acht Tagen will ich den Coadjutor besuchen, dann auf Gotha gehn, wohin ich gestern eine erneute Einladung erhalten habe, dann frage ich an ob es erlaubt ist Sie in den Wäldern und an den Heilsamen Quellen aufzusuchen.

Die hübschen Weiber sterben hier und zwar mit sonderbaren Umständen. Die Weidner ist an einer Indigestion und zwar einer Mahlzeit die sich nicht genossen hatte gestorben.

Einer andern stand eine Mannsperson bey der Geburt bey welche schwer war und lange dauerte, nach 3 Stunden erfährt die Wehemutter, daß es nicht der Mann rufen, das Kind kommt und die Frau stirbt.

In Lauchstädt geht es ganz leidlich. Es fügt und schickt sich alle. Kleine Inconvenienzen werden nicht gerechnet, sie machen nur Herrn Fischer zu schaffen.

Ihre Frau Mutter ist wohl und vergnügt sie bedient sich Tiefurths auf eine kluge Weise, fährt manchmal hinaus dort zu speisen und Thee zu geben [275] und kommt Abends wieder in die Stadt, so genießt sie es und vermeidet manches unangenehme.

Ich empfehle mich zu Gnaden, bitte mich der Frau Gemahlinn zu Füssen zu legen und meiner eingedenck zu seyn. Leben Sie gesund und froh.

W. d. 1. Jul. 1791.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1791. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-749A-C