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An den Herzog Carl August

Pro voto.

Das Mißverhältniß des Bassisten Stromeyer zu herzogl. Theater-Commission tritt, bey seinem gegenwärtigem Urlaubsbesuch, abermals hervor, und mich will bedünken daß es Pflicht der Commission sey deshalb einen unterthänigsten Vortrag zu thun.

Seitdem gedachtem Stromeyer gestattet worden auswärts Gastrollen zu geben, haben die Schauspieler, welche neue Contracte gemacht, sich dieselbe Vergünstigung ausbedungen und in wenigen Jahren wird man alle bedeutende Glieder unserer Bühne eines gleichen Vorzugs genießen sehen.

Damit jedoch bey solchen Abwesenheiten das Theater das was ihm obliegt zu leisten im Stande sey, hat die Commission verschiedene Einschränkungen festgesetzt, worunter besonders diese sich befindet, daß die Bestimmung der Zeit von ihr abhängen müsse und kein Urlaub im Winter verlangt werden könne.

[279] Nun ist die Epoche in welcher die Mitglieder des Theaters am wenigsten zu entbehren sind gerade das erste Drittel eines Jahres, weil neuen Jahres, weil man in demselben, theils die bedeutendsten Vorstellungen erwarten kann, theils neue Stücke für den Sommer einzulernen sind. Man hat auch schon einige solche Gesuche in dem neuen Jahre abgelehnt, und wir brauchen nicht zu wiederholen daß alle Mitglieder eines Theaters gleiche Rechte und oft mit Ungestüm fordern.

Allein es tritt in diesem Falle noch eine wichtigere Betrachtung ein. Es hat nämlich Stromeyer im vorigen Sommer zu einer Reise nach Töplitz Urlaub erhalten, jedoch nur unter der Bedingung, daß die darauf zu verwendende Zeit für die ihm contractmäßig zugestandene Urlaubsfrist gelten sollte. Nun will er aber jenes zehnwöchentliche Außenbleiben nicht angerechnet wissen, sondern vielmehr soll sein gegenwärtig geforderter Urlaub noch fürs vorige Jahr gelten, wodurch er nicht undeutlich zu verstehen giebt daß er noch einen zweyten in diesem Jahre sich vorbehalte. Sollen nun solche Vergünstigungen bey uns eingeführt werden; so würde wohl schwerlich das Theater zu irgend einer Zeit zusammen zu halten seyn, und wir würden, wie andere Bühnen, in den unglücklichen Fall gesetzt, durch kostspielige Herbeyrufung fremder Schauspieler, die Abwesenheit der unsrigen einigermaßen zu vergüten. Was für eine Verwirrung, Zerstörung, ja Auflösung der Bühne [280] daraus folge, hat die Erfahrung mehrere Theater gelehrt, welche sich gegenwärtig vergebens über ein Übel beklagen das sie sich selbst zugezogen haben.

Hiezu tritt noch eine Betrachtung die aus unserer Besondern Lage entspringt, daß nämlich die Nähe von Leipzig uns eigens gefährlich ist; denn es könnte dem Director Seconda nichts erwünschter seyn als ein gebildetes Theater wie das Weimarische an der Hand zu haben, und auf unsere Kosten seinen Winter zu schmücken und zu benutzen.

Aus allen diesem geht hervor daß herzogliche Commission mehrgedachtem Stromeyer den Urlaub zu versagen vollkommen Ursache hat.

Da es scheint, daß Durchlaucht dieses Mannes Gesuch zu begünstigen geneigt sind; so halte ich davor daß es unsere Schuldigkeit sey, unsere oft erprobte Willfährigkeit und Deferenz gegen höchste Wünsche und Befehle auch in diesem Falle zu zeigen und Vorschläge zu thun, wie für jetzt und künftig sowohl das Ansehn der Commission, als das Wohl des Theaters salvirt werden könne.

Meo voto können Serenissimus auf einmal der Sache abhülfliche Maße geben, wenn Sie den Sänger Stromeyer ganz und gar unseren Befehlen und Anordnungen entnähmen und denselben dem Hofmarschallamte, an welches er als Cammerfänger ohnehin gewiesen ist, völlig untergäben, da es denn von Höchstderoselben Willen ganz allein abhängen würde, ohne[281] andere Rücksichten, dem Urlaubsgesuche gedachten Mannes nach eigenem höchsten Ermessen zu deferiren, ingleichen zu bestimmen, in welchen Opern er zu gebrauchen und wo er hingegen zu verschonen sey. Was die Theatercasse zu dessen Unterhaltung bisher gegeben, wurde an die Hofcasse gezahlt, und er erhielte von dorther dasjenige was ihm durch seinen Contract zugebilligt worden.

Herzogl. Commission käme außer aller Verantwortung und das höchst unangenehme Verhältniß zu einem Untergebenen, der kein Untergebener ist, würde dadurch beseitigt. Und warum sollten wir es nicht aussprechen, da es ja notorisch ist, daß gedachter Cammersänger Stromeyer uns schon längst nicht mehr als seine Vorgesetzten betrachtet, und durchaus nach seiner Willkür, ja oft zu unserem Respect zu handeln pflegt, wovon die einzelnen Data zu detailliren ein allzu unangenehmes Geschäft seyn würde.

Durch jenen oben gewünschte gnädigste Anordnung entstünde daher nichts neues, vielmehr würde nur dasjenige was wir bisher erdulten müssen, zu unserer Zufriedenheit, sanctionirt und wir würden auch sehr gerne in Zukunft gleichsam bittweise die Dienste dieses Mannes aufrufen, dem man, bey seinen schönen Naturgaben und einem immer mehr ausgebildeten Talente, eine solche Absonderung und Auszeichnung nicht beneiden dürfte. Commissio dagegen könnte in Ihrem Kreise fortfahren mit Ernst auf Anordnungen zu [282] halten deren Werth sie seit vielen Jahren erprobt hat. Ich gebe willig besseren Vorschlägen nach, nur daß dadurch die Halbheit des bisherigen Verhältnisses aufgehoben werde.

Weimar den 18. Februar 1812.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-74EF-E