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An Johann Friedrich Cotta

Ew. Hochwohlgeboren

danke zum allerbesten daß Sie aussprechen wollten, wovon ich zwar schon überzeugt war: daß Sie den[119] größten Antheil nehmen an der hohen Gnade, welche mir durch Ihren jetzigen Landesherrn geworden ist. Einem solchen außerordentlichen Manne an irgend einem Orte, auf irgend eine Weise persönlich aufzuwarten, wäre jederzeit ein erwünschter Vorzug gewesen. Die Art aber, wie ich mich Seiner Gegenwart erfreute, übertrifft doch alles was die kühnste Hoffnung und der verwegenste Wunsch sich hätten ausdenken können. Sie haben, wie ich höre, auf eine höchst bedeutende Weise den Antheil erklärt, den Sie an den Unternehmungen dieses merkwürdigen Herrn zu nehmen gedenken; ich erfreue mich darüber und wünsche den besten Erfolg auf's herzlichste.

Nun aber lassen Sie mich bey nochmaliger Durchsicht Ihres Schreibens vom 12. April aufrichtig eine Eigenheit, einen Fehler gestehen, über welchen man sich im Laufe meines Lebens öfters beklagt hat. Ich habe nämlich, wenn zwischen Freunden, nothwendig Verwandten und Verbundenen sich einige Differenz hervorthat, immer lieber geschwiegen als erwidert; denn in solchen Fällen bleibt ein jeder doch einigermaßen aus seinem Sinn, und so entstehen ausgewechselte Äußerungen neue Differenzen und die Mißverstände verwickeln sich anstatt sich aufzuklären. Dagegen habe ich gefunden, die Zeit sey die eigentlichste Vermittlerin; in derselben entwickeln sich Handlungen, die einzige Sprache, die zwischen Freunden giltig ist, um das wahre Verhältniß auszudrücken. In dem [120] gegenwärtigen Falle darf ich versichern: daß wenn ich hätte voraussehen können, Sie würden jene Äußerung, daß ein Mitwirken des lebenden Autors der Ausgabe seiner Schriften vortheilhaft seyn müsse, sich zu Gemüthe ziehen und als einen Vorwurf ansehen, [ich] sie sehr gerne zurückgehalten hätte und deshalb mit Ihnen vorher conferirt zu haben wünschte. Daß ungünstige Umstände die Mängel jener so verschrieenen Schillerschen Ausgabe hervorgebracht, war ich längst überzeugt.

Lassen Sie also beiderseitigen guten Willen fernerhin unserm neuen Unternehmen zu Gute kommen; die veränderte Eintheilung ist nach Ihren Wünschen geschehen, das Publicum sieht sich durch unerwartete Einschaltungen überrascht, und ich werde sorgen daß die dritte Lieferung abermals etwas der Art enthalte. Der erst bewiesene Unwille verliert sich nach und nach, und so wird es mir angenehm seyn von Zeit zu Zeit zu vernehmen, wie sich die gute Meynung auch durch reichlichere Subscription auszeichnet.

Was von hiesiger Seite gegen den gothaischen Nachdruck geschehen können, ist ersichtlich aus beykommendem Wochenblatte. Leider ist in Deutschland hierüber sobald noch nichts Allgemeines zu hoffen; Preußen und Hannover haben ein Specialcartell geschlossen, die Regierungen überhaupt sind immer nur gewohnt, das Industriell-Technische was ihnen Nutzen bringt zu beachten, Autor und Verleger sind dagegen wenig vermögend. Indessen werde eben beykommendes Publicandum [121] zum Anlaß nehmen, bey dem Herzoglich Coburgischen Ministerium geziemende Vorstellung zu thun.

Herr Professor Zelter welcher, von München kommend, höchstvergnügt und gestärkt bey mir einkehrte, dankt nochmals zum allerschönsten für die freundliche Aufnahme und empfiehlt sich mit mir zugleich Ihnen und Ihrer theuren Frau Gemahlin auf das allerbeste.

So hochachtend als vertrauend

unwandelbar

Weimar den 24. October 1827.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Johann Friedrich Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-758F-2