46/185.

An Carl Friedrich Zelter

Aus deiner werthen Zuschrift vom 17. ersehe auf's neue mit Vergnügen daß du auf dem musikalischen[192] Ocean glücklich schiffest und herrschest; und so sey denn auch gesegnet, daß deine Zimmer gleichmäßig geheizt sind und [da] uns ferner die Berliner Zeitungen täglich von dem reizenden Markte unterrichten, welcher um Euch her von den fremdesten Speisewaren und Naschwerken aufgeschlagen ist, kann es auch Euren Tafeln an nichts Gutem fehlen. Fürwahr der Bewohner einer großen Stadt ist wie zu einem ununterbrochenen Feste eingeladen, wo er nur zu naschen braucht um satt zu werden, indessen wir andern am ernsten Kamine und zur Noth erwärmen und von Zeit zu Zeit nachsehen, ob die selbstgezogenen Kartoffeln, die wir beygesetzt, gar geworden; worauf die Enkel sehnsüchtig warten, sich und dem Ahnherrn die Ungeduld auf den Maultrommeln nicht ganz ungeschickt zu beschwichtigen suchend. An welchem Bilde du denn den treuen Schüler des Doctor Primrose erkennen wirst.

Warum ich aber diesen werthen Namen gerade hier nenne und meinen Zustand nach dem Bilde seiner Familie symbolisire, will ich mit wenigem erklären: In diesen Tagen kam mir von ungefähr der Landpriester von Wakefield zu Händen, ich mußte das Werklein vom Anfang bis zu Ende wieder durchlesen, nicht wenig gerührt von der lebhaften Erinnerung wieviel ich dem Verfasser in den siebziger Jahren schuldig geworden. Es wäre nicht nachzukommen, was Goldsmith und Sterne gerade im Hauptpuncte der [193] Entwicklung auf mich gewirkt haben. Diese hohe wohlwollende Ironie, diese Billigkeit bey aller Übersicht, diese Sanftmuth bey aller Widerwärtigkeit, diese Gleichheit bey allem Wechsel und wie alle verwandte Tugenden heißen mögen, erzogen mich auf's löblichste, und am Ende sind es denn doch diese Gesinnungen die uns von allen Irrschritten des Lebens endlich wieder zurückführen.

Merkwürdig ist noch hiebey daß Yorik sich mehr in das Formlose neigt und Goldsmith ganz Form ist, der ich mich denn auch ergab, indessen die werthen Deutschen sich überzeugt hatten die Eigenschaft des wahren Humors sey das Formlose.

Hierauf denn tritt dein lieber Brief vom 21. d. M. bey mir ein, zugleich mit Herrn Feilners Sendung, weshalb ich dir und ihm den besten Dank zu sagen habe.

Diese für mich wichtige Hausangelegenheit, in der ungelegensten Jahrszeit, habe nun mit meinen Bau-und Werkfreunden zu besprechen, auch die im Schlosse schon aufgestellten Öfen der Art beschauen zu lassen; die Zeichnungen kommen bald zurück und die Entschlüsse später.

Da ich als ein treuer Freund dich immer in deinen Zuständen begleite und so vollkommen den Gegensatz der meinigen fühle, so war es mir merkwürdig daß [194] ich meine lebhaften Freunden zwölfhundert Fuß tief aus der Erde heraufholen muß, da dich die deinigen mit jedem Lufthauch anwehen.

Wegen des Teufels von Papefigue ziehe doch einen Kenner zu Rath, welcher in den Contes de Lafontaine bewandert ist.

Ferner haben wir auch hier Schnee die Fülle.

Verharrend

J. W. v. Goethe.

Weimar den 25. December 1829.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7744-7