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An Sulpiz Boisserée

Es ist schwer, ja fast unmöglich in persönlicher Gegenwart mündlich geschweige abwesend und schriftlich einen Zustand darzustellen wobey ethische, ökonomische, mercantilische Bezüge, frühere, spätere, verschwundene, fortdauernde Verhältnisse sich mannichfaltig verknüpfen, ich habe es in Beykommendem versucht, machen Sie sich das Gesagte freundlich zu eigen.

In meinen hohen Jahren allen, aus dem fraglichen Geschäft entspringenden Vortheil meiner Familie überlassend finde ich billig daß sie auch Sorge und Bemühung übernehme, die damit nothwendig verknüpft sind. Diese vorliegende Masse literarischer Productionen verehrte ich meinem Sohn als Capital, kein Wunder daß er das Resultat meines Lebens höher schätzt als ich von jeher auf meine Productionen gehalten habe.

[10] Die Theilnahme der Nation, die des Auslandes daran ist auffallend und, bey dem vorwärts bewegten Gang der Cultur, so leicht kein Rückschritt denkbar. Meine Pflicht und tägliches Bestreben ist daher meinen Austritt aus diesen Zeitlichkeiten meinen Angehörigen und Freunden so wenig als möglich fühlbar werden zu lassen, weshalb ich nur thun möchte was niemand thun kann, alles übrige den jüngeren Thätigen, naturgemäß länger dauernden sorgfältig zu übergeben, das Innere zu besorgen und in alles Äußere dieselben sorgfältig einzuweihen.

Jede Annäherung des Herrn v. Cotta zu meinem Sohn, jede abschließliche Verbindung mit demselben würde mir von höchstem Werthe seyn wenn ich noch selbst Amen dazu sagen könnte.

Lassen Sie sich dieses mein Vorvalet gefallen! Warum sollte man sich das Unvermeidliche verläugnen. Gelinge Ihnen alles nach Wunsch.

treulichst
Weimar d. 19 [13.] August 1825.
Goethe.

[Beilage.]
Geneigtest zu gedenken.

Als im Jahre 1823 der frühere Contract wegen meiner Werke mit Herrn v. Cotta zu Ende gegangen war, bot ich demselben eine neue vollständige Ausgabe ungesäumt an, brachte auch die Angelegenheit in der Folge abermals zur Sprache; da sie jedoch [11] nicht zu fördern schien, so blieb mir nichts übrig, als, sowohl selbst, nicht weniger von Freunden geholfen, meinen Arbeiten immer mehr Vollständigkeit und Zusammenhang zu geben, auch von meinem Leben und Wirken mehr aufzeichnen als bisher geschehen.

Um nun hierin freyeren Geistes zu walten, übergab ich alle technische, ökonomische und mercantilische Behandlung meinem Sohne. Dieser, ich will es gestehen, mehr als ich durch die Zögerung, besonders auch durch den fortgesetzten Wiener Nachdruck getroffen, berieth sich mit Geschäftsfreunden und ward von bedeutenden wohlwollenden Männern zu dem Schritte an den Bundestag aufgemuntert, der im Allgemeinen sogleich Beyfall und Zustimmung fand, und nun im Einzelnen gar wünschenswerth begünstigt, zunächst vollständig Befriedigung verspricht.

Durch jene öffentliche unbewundene Zustimmung des Bundestages also schien diese Angelegenheit national zu werden und in der Buchhändler-Welt regte sich gar mancher, der sich zu einer solchen Unternehmung Kräfte genug zutraute. Meinem Sohne wurden daher mehrfältige Anträge gethan, Vorschläge zum Selbstverlag, Societäts-Contracte, Übereinkunft auf einen Antheil von jedem abzusetzenden Exemplar und manche andere dem Gesagten mehr oder weniger sich annäherende Propositionen.

Um aber getreulich auf die eigentliche Lage zu kommen, so sind fünfzigtausend Thaler sächsisch geboten [12] mit Erklärung, daß bey ernstlichem Abschluß noch eine Zulage stattfinden solle, und so wäre denn mit Herrn v. Cottas Übergebot zwischen sechzig- und siebenzigtausend Thalern sächsisch der gegenwärtige Stand.

Mein Sohn jedoch und seine Rathgeber glauben den Preis der zu überlassenden Ausgabe von vierzig Bänden auf zwölf Jahre auf wenigstens hunderttausend Thaler sächsisch schätzen zu dürfen und zwar dergestalt daß ein bedeutender Theil der Summe in den ersten Jahren nach Maaßgabe des abgelieferten Manuscripts gezahlt, das übrige aber auf die folgenden Jahre vertheilt werde, so daß die Familie an dem fortdauernden Gewinn gleichfalls einige Antheil hätte. Was das Künftige anbetrifft so würden, nach verflossenen neun Jahre, beide Theile zusammentreten und nach Überzeugung den Contract verlängern, wodurch gar manchem unangenehmen Verhältniß vorgebeugt würde.

Hier wünschte nun daß Herr v. Cotta, der vor allen Übersicht und Kräfte zu solcher Unternehmung besitzt, einträte, seine Meinung eröffnete und solchem Schwanken ein Ende machte, das mir in meinen hohen Jahren besonders peinlich ist. Denn ich darf versichern daß ich immerfort gewünscht habe das alte Verhältniß fortdauern, jeden dazwischen getretenen hindernden Aufschub entfernt und den Abschluß noch bey meinem Leben herbeigeführt zu sehen.

[13] Sie selbst an große Geschäfte umsichtig gewohnt und werden desto eher die Lage beider Theile durchdringen und zu vollständig Einigung das Beste beytragen können.

vertrauend
Weimar d. 19 [13.] Aug. 1825.
Goethe.

Beykommendes, meinem Sohne dicktirt, begleite noch mit wenigen Worten, um auszusprechen: daß mir gerade in diesem Augenblick vollkommen gegenwärtig sey wie Ihre freundschaftliche Gesinnung vor Jahren ein zartes bedeutendes Monument beabsichtigte, welches nachher durch architecktonische Weitläufigkeiten vereitelt wurde; so wie denn auch das projecktirte Marmorbild zu stocken scheint. Lassen Sie uns das als Versuche betrachten in welchen der gute Wille gewogener Landsleute sich auszusprechen den Anlaß nahm! greifen mir mit Ernst und Einigung zu gegenwärtiger Gelegenheit: die schon angeregte Nation dahin zu bestimmen daß sie eine Unternehmung begünstige, die, aus meinen eignen Materialien, mir ein bleibendes Denckmal, wohlmeynend, zu errichten die Absicht hegt.

und so fort an!
Weimar d. 19 [13] August 1825.
Goethe.
[14]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7758-C