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An Aloys Hirt

[Concept.]

Es geht mir oft so, daß ich meinen Briefen und Antworten einigen Gehalt geben und für ein bedeutendes Mitgetheilte nicht blos einen allgemeinen Dank erwiedern möchte. Darüber vergeht die Zeit und ich bleibe mit dem besten Willen gegen auswärtige Freunde und Wohlwollende im Rückstande; wobey ich denn Niemand verargen mag, wenn er einige Unzufriedenheit gegen mich empfindet. Ich eile deswegen, Ihnen, mein Werthester, für das Übersendete recht aufrichtig und lebhaft zu danken. Es war mir ein höchst erfreulicher [359] Anblick, das Werk abgeschlossen und gebunden vor mir zu sehen, dessen frühste Anfänge mir schon so bedeutend und belehrend waren. Sie haben sich Ihren treuen Fleiß auf diese Weise selbst belohnt und gewiß wird dieses schöne Resultat Ihres Lebens auch von andern anerkannt werden. Durchlaufen habe ich es schon und mich an der methodischen Zusammenstellung so vieler, in aller Welt zerstreuten einzelnen Documente vorläufig ergötzt.

Die beyden kleineren Schriften waren mir nicht weniger willkommen, ja sie stillten mir eine frühere und oft gewaltsam wiederkehrende Sehnsucht, mich nur einigermaßen zum geistigen Anschauen jener großen Monumente des Alterthums zu erheben, die uns der Lauf der Zeiten misgönnt hat. Ihre Art das von Schriftstellern uns gewiß Überlieferte erst zum Grunde zu legen, dann einer durch andre bekannte Data zu belebten Analogie Platz zu geben, und die letzten Lücken mit noch gegenwärtigen und dorthin verwandten Beyspielen auszufüllen, ist so gewissenhaft als geistreich, sie überzeugt und überredet.

Welch ein Vorschritt ist nicht hierin seit Caylus geschehen! dem an seiner Stelle sein Verdienst wohl bleiben mag, über den wir uns aber doch zu beschweren haben, daß er unserer Einbildungskraft der Hoheit des Alterthums so wenig gemäße Formen aufbindet, und indem er unsre Erkenntniß erweitern will, unsern Geschmack verschlechtert.

[360] Haben Sie, mein Werthester, nicht auch etwas für das Carische Mausoleum gethan? für den beweglichen Tempel, in welchem Alexanders Leiche nach Ägypten gebracht worden, für den Rogus des Hephaestion, wobey ich zugleich eine plausiblere Hypothese wünschte, warum Alexander, um zu dieser Bestattung Platz zu gewinnen, einen Theil der Mauern von Babylon abtragen lassen? Willkür und Grille ist es gewiß nicht gewesen. Sollte man nicht bey der ungeheurn Dicke der Mauern eine Art von amphitheatralischem Stufensitz auf beyden Seiten für die Zuschauer erhalten, oder vielleicht gar durch die abgetragenen Ziegeln und gewonnene Erde ein wirkliches Amphitheater hergestellt haben?

Wie die Griechen nicht gerade Stolz darein setzen alles von Grund aus zu bauen, sondern gar gerne Berge, Hügel und Gründe benutzten, um dem durch die Natur halbvorbereiteten eine architectonische Form zu ihren Zwecken zu geben, wie uns die Theater von Syrakus und Tauromina belehren; sollte man hier nicht auch, um etwas Ungeheures mit Bequemlichkeit und Lichtigkeit zu erlangen, die Mauerberge einer überwundenen Stadt, als Stoff zu einem solchen Wundergebäude benutzt haben, das ein ganzes Volk und eine ganze Armee fassen sollte. Über andre dergleichen Dinge habe ich noch manchen Einfall, den ich wohl gerne mittheile, und weshalb ich mich gelegentlich anzuregen bitte.

[361] Herrn Bury grüßen Sie zum allerschönsten. Ich habe seinen Brief erhalten. Er verzeihe mir, daß ich nicht antwortete: ich bin ohnehin ein fauler Correspondent, und man entwöhnt sich jetzt mehr als sonst des Briefschreibens. Deswegen gedenke ich doch treulich an meine abwesenden Freunde und lasse mir von Reisenden gern umständlich erzählen, die mir denn auch sehr viel Gutes von Burys letzten Arbeiten gesagt haben. Theilen Sie ihm beykommendes Gedicht mit, zu dem ich von wohldenkenden Freunden aus jener Gegend veranlaßt worden.

Leben Sie recht wohl, gedenken Sie mein und lassen mich von Zeit zu Zeit theilnehmen an dem, was Sie vorhaben und wirken. Möchten Sie den Verleger veranlassen, mir die perspectivische Herstellung des Tempels zu Ephesus, sobald sie fertig ist, zuzusenden; ich werde die Gebühr mit Dank abtragen. Herrn Geheimerath Wolf haben wir leider dießmal nicht gesehen; er hat sich auf seinem Zuge westlich gehalten. Kehrt er nach Berlin zurück, so empfehlen Sie mich ihm bestens.

Wird es Ihnen möglich sich vom Platze zu bewegen, so richten Sie Ihren Weg gerade auf uns zu, doch nicht unangemeldet, damit wir nicht etwa entfernt oder so versagt und verwickelt sind, um den Freund nicht gehörig empfangen zu können. Gegenwärtig bin ich in Jena. Über meine Badereise konnte ich noch nichts beschließen.

Jena den 9. Juni 1809.

[362]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Aloys Hirt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-791F-D