39/154.
An Ernst Meyer
Ew. Wohlgeboren
für das Übersendete verbindlichst dankend theile, im maurerischen Vertrauen, den berührten Aufsatz mit. Ich habe ihn bey dieser Gelegenheit nach soviel Jahren zum erstenmal wieder durchgelesen und finde daß man sehr wohl thäte, jeden bedeutenden Augenblick zu benutzen und dessen Andenken, besonders auch schriftlich aufzubewahren. Die vorwaltenden Umstände, die mir hier wieder so deutlich entgegen kommen, sind mir so weit im Gedächtniß zurückgetreten daß sie fast als ganz neu wieder zum Vorschein kommen.
Ihre Recension nehme mit allem Antheil auf; auch habe über das was man Pflanzenphysiognomik zu nennen pflegt wohl nachgedacht und wüßte meine Gedanken darüber unmaßgeblich zu eröffnen, allein ich darf jetzt in Ihr schönes Feld nicht hinüber blicken. Auf einer Seite belagern mich meine sämmtlichen[174] Productionen, denen ich, in Rücksicht auf eine neue Ausgabe, alle Aufmerksamkeit schenken muß; auf der andern Seite liegt, höchst unerfreulich, der Theaterschutt, aus dessen Trümmern ganz Weimar einen Phönix emporsteigen zu sehen große Begierde hat.
Dem Andenken an den genannten Abgeschiedenen ist ein Bildniß des bis jetzt übrig Gebliebenen beygelegt, der sich zu fortdauerndem Antheil und wohlwollendem Andenken zum allerschönsten empfiehlt.
ergebenst
J. W. v. Goethe.