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An Johann Gottfried Herder

[Frankfurt, Mai 1775.]

Mir gehts wie dir lieber Bruder. meinen Ballenspiel ich wider die Wand, und Federball mit den Weibern. Dem Hasen häuflicher Glückseeligkeit und festem Fuse in wahrem Leid' und Freud der Erde wähnt ich vor kurzem näher zu kommen, bin aber [261] auf eine leidige Weise wieder hinaus in's weite Meer geworfen.

Herzlich Dank für deines Buben Schatten, das ist ganz Dein Gesicht! ganz! in unglaublicher Determination.

Ich fördre mit innigem Schändismus mit an Lavaters Phisiognomik.

Ich habe deine Bücher kriegt und mich dran erlabt. Gott weis dass das eine gefühlte Welt ist! Ein belebter Kehrigthaufen! Und so Dank! Dank! –

– – Ich müsst all die Blätter voll Striche machen um den Übergang zu bezeichnen und doch – – Wenn nur die ganze Lehre von Christo nicht so ein Scheisding wäre, das mich als Mensch, als eingeschränktes bedürftiges Ding rasend macht, so wär' mir auch das Objekt lieb. Wenn gleich Gott oder Teufel so behandelt mir lieb wird denn er ist mein Bruder.

– Und so fühl ich auch in all deinem Wesen nicht die Schaal und Hülle, daraus deine Castors oder Harlekins herausschlupfen, sondern den ewig gleichen Bruder, Mensch, Gott, Wurm und Narren. – –

Deine Art zu fegen – und nicht etwa aus dem Kehrigt Gold zu sieben, sondern den Kehrigt zur lebenden Pflanze umzupalingenesiren, legt mich immer auf die Knie meines Herzens. Adieu. Ich geh fort auf wenig Zeit zu meiner Schwester. Ade. Grus dein Weiblein. – Ich tanze auf dem Drate |: Fatum congenitum genannt :| mein Leben [262] so weg! Von meiner Fresko Mahlerey wirst ehstens sehen, wo du dich ärgern wirst gut gefühlte Natur neben scheuslichem Locus communis zu sehen.

Fiat voluntas!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1775. An Johann Gottfried Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7B57-C