6/1927.

An Caroline Herder

[11. Mai.]

Ich kann nicht verhindern, daß Döderlein geheimer Kirchenrath wird, so unangenehm mir es von mehr als einer Seite ist, für Herdern kann ich das Vergangne nicht wieder gut machen. Die Situation, in der Sie sind, kann ich fühlen, weil ich ähnliche [275] kenne. Nähme Herder den geheimen Kirchenrath an, betrachtete es weder als Ehre noch als Schande (denn welcher Fürst kann seinem Namen Ehre oder Schande anhängen!) so wäre er dadurch in der Klasse, in die er gehört, in der er lange sein sollte; wer vor ihm drinne ist, sei es, über alle Titularen rückt er ohnedies gleich über, es fragt sich, ob Ihr daß Unangenehme, das in der Sache liegen mag überwinden wollt und könnt. Nimmt Herder den Titel nicht, so gebe ich Euch für hier verloren; denn es wird sich alles so verbittern, daß Euch die Verhältnisse unerträglich werden.

Könnte man jetzt auch Döderlein zurückhalten, so käme vielleicht in kurzem ein andrer Fall, und es wäre wieder dasselbe. Der neulich vorgeschlagne Ausweg gefällt mir selbst nicht; man mag verdrüsliche Sachen wenden, wie man will, so werden sie nicht angenehm.

So viel sag ich als Freund, habt Ihr Lust, Aussicht, Hoffnung von hier wegzukommen, nun so laßt es dabei bewenden, laßt Titel haben, wer will, und wartet in der Stille bis Ihr erlöst werdet. Wollt Ihr aber, müßt Ihr aber bleiben, so überwindet das Unangenehme des Moments und Herder nehme das Decret, wie ich meinen Adelsbrief.

Im heutigen Conseil erwartet der Herzog Antwort. Nach Herders letztem Billet muß ich nochmals alles ausschlagen, wenn Sie mir nur vor zehn Uhr [276] ein Wort schreiben wollten. Ich kann nichts mehr sagen, in meinem Obigen liegt alles. Adieu.

Behalten Sie mich als Freund lieb, wenn ich Ihnen als Minister fatal werden muß.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Caroline Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7BD1-9