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An die philosophische Facultätder Universität Jena

[7. December 1895.]

Das unerwartete Glück, welches mich am siebenten November von so manchen Seiten her überraschte, wird mir erst allgemach zu eigen, und mein verspäteter Dank selbst wird Zeugniß, wie sehr ich von so viel Wohlwollen gerührt sey.

Die verehrliche Facultät, welcher das weite Feld des reinen Denkens so wie des Überdenkens aller Naturmerkwürdigkeiten anvertraut worden, ist geneigt auszusprechen, daß Sie meinen Bemühungen von jeher eine schätzbare Aufmerksamkeit gegönnt habe. Von diesem Antheil konnte ich mich in einer langen Reihe von Jahren genugsam überzeugen, und ich ergreife nunmehr die Gelegenheit, ein offnes Geständniß hierüber abzulegen.

So entschieden und leidenschaftlich auch meine Sehnsucht gegen die Natur und ihre gesetzlichen Erscheinungen gerichtet war, so konnte sie doch nur durch einen längeren akademischen Aufenthalt erst recht belebt, genährt, geregelt und stufenweise befriedigt werden.

Ein solcher ward mir seit vielen Jahren zu Jena, und ich bin dieser Akademie ganz eigentlich die Entwickelung [160] meines wissenschaftlichen Bestrebens schuldig geworden.

Manche treffliche Männer, unmittelbare Theilnehmer an meinem gesteigerten rastlosen Bemühen, sind dahin gegangen, andere leben entfernt in glücklicher Lage. Wie erfreuen muß es mich daher, von der gegenwärtigen Generation ein Zeugniß zu erhalten, daß sie die Ausdauer meines Bestrebens mit fortwährender Geneigtheit und Aufmerksamkeit begleite.

Und so hab ich endlich dankbar noch auszusprechen, daß mir am feyerlichen Tage vergönnt gewesen, zwey junge Männer der mir verliehenen Auszeichnung theilhaft zu machen; beide wirken seit längerer und kürzerer Zeit mit mir zu gleichen Zwecken, welche, von so verehrlicher akademischer Corporation mit Beyfall anerkannt, uns auch fernerhin gemeinsam vor Augen unverrückt bleiben sollen.

Hochachtungsvoll mich unterzeichnend

Weimar am 24. November 1825.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An die philosophische Facultätder Universität Jena. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C09-5