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An Johann Christian Kestner

[Frankfurt, März 1774.]

Auf einen Brief vom 1ten Weynachtstage erst den 13. Februar Antwort zu haben, ist nicht schön. Künftig, Kestner, schick mir deine Briefe mit der Post. Und schreib öfter, sonst wend ich mich an Lotten dass die mir schreibt.

Die Max la Roche ist hierher verheurathet, und das macht einem das Leben noch erträglicher, wenn anders dran was erträglich zu machen ist. Wie offt ich bey euch binn, heisst das in Zeiten der Vergangenheit, werdet ihr vielleicht ehestens ein Dokument zu Gesichte kriegen. Und wenn ihr nicht oft schreibt, und wenns Häusliche Kleinigkeiten wären. Ihr wisst dass mir daran am meisten gelegen ist.

Der Jacobi hat Lotten in so fern Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Er hat eine sehr vorteilhafte Schilderung von ihr gemacht, und wie man mir es schrieb, so wusst ich warrlich nicht dass das all an ihr war, denn ich hab sie viel zu lieb von jeher gehabt, [149] um auf sie so acht zu haben. Die Iris ist eine kindische Entreprise, und soll ihm verziehen werden, weil er Geld dabey zu schneiden denkt. Eigentlich wollen die Jackerls den Merkur miniren, seit sie sich mit Wieland überworfen haben.

Was die Kerls von mir dencken ist mir einerley. Ehdessen haben sie auf mich geschimpft wie auf einen Hundejungen, und nun müssen sie fühlen dass man ein braver Kerl seyn kann ohne sie iust leiden zu können. Dass Lotte in der Reihe der Protecktrices steht, kleidet sie gut zu Gesichte.

Von meinen Wünschen und Hoffnungen zu euch zu kommen mag ich nichts reden. Mir gehts wie euch – und also wollen wir's unterdessen auf sich beruhen lassen.

Dass ihr Herdern nicht näher gesehn habt, ist doch fatal. War er denn alleine? Oder sein Weib mit? Ich binn wohl fleissig, und meine Lebens Wirthschaft ist immer die alte. Wenn ich manchmal deine alten Briefe ansehe, erstaun ich dass ich nach so mancherley Veränderungen noch derselbe binn. Desswegen schreibt mir öffter oder bittet Lotten dass sie mir nur manchmal ein Wörtgen schreibt, wenn's ihr ums Herz ist. Das könnte sie wohl thun. Sie soll mir die Pestel grüssen, das muss auch ein braves Weib seyn.

Die Kunckel hat dem Magistrat viel Schererey gemacht. Sie sas in Strasburg. Der dortige Magistrat[150] wollte sie nicht ausliefern, und da der Kurfürst sich an den König gewendet, ist sie auf und davon in die Schweiz. Das sind die neusten und noch zur Zeit geheimen Nachrichten.

Dass wir sehr Kayserlich sind ist kein Wunder, da wir des Kaysers sind.

Adieu. Lasst bald wieder was hören. Ich binn der Alte von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1774. An Johann Christian Kestner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7D46-D