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An August von Goethe
Eigentlich, mein lieber Sohn, wäre gerade heute Ottiliens Gegenwart sehr wünschenswerth gewesen, denn die Übel haben sich zusammen genommen um zu fliehen, aber leider durch die Augen, da man denn indessen gar nichts sieht.
Ob in einigen Tagen die Thötigkeit wiederkehren könnte muß sich zeigen, es bedarf Geduld, Tropfen, und Kräuter-Kißchen. Für den Augenblick bin ich sehr matt und kann im Kopf nichts zusammen bringen.
Herkules, mit welchem sich die gewaltigen Drucker-Pressen schon längst beschäftigen sollten, spukt nur leider wie ein elysischer Schatten hinter verbundenen Augen.
Im Reiche der Wirklichkeit kommen mir gute Bissen aus Madame Frommanns Küche sehr schmackhaft entgegen. Könntet ihr mir ein Töpfchen leichte Citronen-Gelée senden, so würdet ihr mich sehr erquicken, vielleicht erhieltet ihr auch aus der Conditorei etwas Himbeeressig, Eingemachtes und Quittenbrod.
Meine Mutter sagte immer, niemand dürfe außerhalb Frankfurt wohnen, in der Stadt könne man doch einem Kranken ungesäumt alles reichen, wozu er Lust habe.
Frau v. Schiller ist angekommen. Gestern meldete sich Herr Barclay de Tolly bey mir. Wer ihn von [188] euch zuerst sieht entschuldige mich, es war nicht möglich ihn anzunehmen.
Es ist halb 5 Uhr und der Kutscher noch nicht zurück, die Boten erwarte ich auch später und wüßte daher weiter nichts zu sagen, als daß die andere Hälfte des Ehecontracts sich bey mir noch nicht gefunden hat, worüber Ottilie sehr lachen wird. Sie war überhaupt allerliebst und gerade heute vermisse ich sie gar sehr.
Nun lebet wohl, auf ein baldiges Wiedersehen; ich will indessen ruhen und schlafen und mich erhohlen; die Nächte sind gar viel besser und da wird sich's in einigen Tagen schon ergeben. Lebet wohl und grüßtAlles.
Jena den 2. Juni 1818.