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An Christian Daniel Rauch

[Concept.]

[26. März 1829.]

Ew. Wohlgeboren

habe mit wahrem Unmuth zu vermelden, daß ich Herrn General v. Brause nur ein einzig Mal gesprochen. Leider hinderten höhere Pflichten diesen würdigen Mann so wie die übrigen Begleiter Ihro Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm, den Einsiedler zu besuchen. Soviel aber darf ich wohl sagen, daß die einsichtige, freye und zugleich vertrauensvolle [206] Art, womit der werthe Mann sich gegen mich betrug und erklärte, den wahrhaft sehnlichen Wunsch zu weiterer Unterhaltung bey mir zurückgelassen hat; denn es kommt selten vor bey häufigen Besuchen, selbst verdienstvoller Fremden, daß man bald zu bedeutender gründlicher Erklärung gelangt. Ich schätze Sie glücklich, einen solchen Nachbar zu besitzen; sagen Sie ihm das Verbindlichste von meiner Seite.

Das Kreuzchen hatten Sie an der rechten Stelle angebracht. Hier war es wirklich, wo das sonst sich gut ausnehmende Bildchen an einiger Unform litt, und in der That war hieran, wie ich den guten Kaufmann leicht überzeugen konnte, eine versteckte Unnatur schuld: denn hier kommen als Bedürfniß unsrer Kleidung Riemen, Schnallen, Knöpfe, Bund und Latz dergestalt auf einem Punct zusammen, daß der ohnehin Beleibte ganz mißgeleibt erscheinen muß; weshalb denn der Künstler mit bestem Gewissen seine Emendation, hoffentlich auch zu Ihrer Zufriedenheit, vollführen konnte.

Im Ganzen aber halten Sie sich ja überzeugt, daß ich für all Ihr Vornehmen mich höchlich interessire. Wenn ich mich einer größern Mobilität erfreute, so würde ich sie, von Zeit zu Zeit, vor allem Andern anwenden, Sie in Ihrer Werkstatt zu besuchen und an Ihrer lebendigen Thätigkeit durch mannichfaltige Reflexion, um mich selbst zu fördern, sehr gerne theilnehmen. Wenn der plastische Künstler sich zu jedem[207] Werk auf alle Weise vorbereitet und durch die mannichfaltigen Modelle sich erst sicher zu stellen sucht, so hat dieß meinen vollkommensten Beyfall, und es würde mir höchst angenehm seyn, auch das Technische davon kennen zu lernen.

Lassen Sie uns nur im herannahenden Frühjahr nicht umsonst auf Ihre Gegenwart hoffen, wo meine Sommerwohnung wieder zugänglich ist, und Sie diese mit allen den Gaben nunmehr ausgeschmückt finden, welche ich den Berliner Freunden, Ihnen, Herrn Tieck, Wichmann und Beuth schuldig geworden. Außerdem ist manches Schätzbare an alten und neuen Zeichnungen bey mir eingetroffen. Nach Süden werde ich Ihnen sodann auch manchen dankbaren Gruß aufzutragen haben.

Gypsabguß und Pasten sind mir von des edlen Welsers Denkbild zugekommen. Unter meiner ältern Medaillensammlung habe sowohl in Originalbronce, als in Gypsabgüssen, nicht weniger in Holz geschnitten manches ähnilche Vorzügliche. In Nürnberg und Augsburg muß zu jener Zeit, welche freylich eine sehr schöne war, auch dieser Kunstzweig auf einen hohen Grad gebracht worden seyn, wie denn ja alle Künste gleichzeitig immer auf einander wirken. Wahrheit und Tüchtigkeit ist der Ausdruck alles dessen, was um die Epoche der Reformation gebildet wurde. Ist denn doch auch diese eigentlich das Beyspiel, wie tüchtige Menschen, gleich wie in sittlichen [208] und religiösen, auch so in allen Dingen wahr zu seyn sich verpflichtet fühlten.

Was die Medaillenstempel betrifft, so wünsche wohl, daß Sie solche zu sich nähmen und mir, sorgfältig eingepackt, hierher sendeten; ich lege deshalb ein Blatt bey, worin ich Wunsch und Auftrag deutlicher ausdrücke. Der Kriegsgott des Herrn Tieck nimmt sich gar heldenhaft aus gegen die schüchterne Heroine. Denen Herren Schinkel und Beuth empfehlen Sie mich bestens. Von den außerordentlichen Werken des ersten kann ich nach den vorliegenden Zeichnungen mir nur den allgemeinsten Begriff bilden; denn die Architektur ist vielleicht diejenige Kunst, von der sich am wenigsten durch Nachbildung überliefern läßt; sie will in ihrem ganzen selbstständigen Daseyn geschaut und anerkannt werden. Auch Herrn Beuth die verbindlichsten Grüße; ich bin ihm schon sehr viel schuldig geworden; er möge mein gedenken, wenn er sein großes Atelier in Thätigkeit versetzt. Man stellt sich nicht leicht vor, wie sehr ich anerkenne, wenn man mir in meinen kleinen Bezirk etwas Würdiges stiftet, wie sehr ich zu schätzen weiß, wenn irgend etwas Vorzügliches irgend woher zu meinem Besitz gelangt. Vor einiger Zeit erhielt ich unermuthet eine Capitalzeichnung von Rembrandt, woran ich schon einige Wochen zehre, bey dieser Gelegenheit andere Werke dieses unvergleichlichen Meisters hervorsuche und in sein Verdienst einzudringen mir zu Angelegenheit mache.

[209] Können Sie theuerster Freund, mir die Durchzeichnung von einem Theil der gerühmten Friese verschaffen? Ich besitze vieles, was die Alten in dieser Art unternommen, was Mantegna, Raphael selbst, Julius Roman, Polidor, auch neuerlich Appiani in Mayland und Thorwaldson in Rom hierin geleistet; ich habe oft und viel darüber nachgedacht, und ein neues Beyspiel würde mich abermals belehren. Nur bemerk ich hie bey: daß Sie, als ein wahrer Meister, sich hinter einen geistreichen Schüler allzu bescheiden zurückstellen; ich sollte denken, Ihre beiden Basreliefe, die ich jetzt das Vergnügen habe täglich anzuschauen, sollten hiernach gar wohl Rang und Würde behaupten.

Und so könnt ich fortfahren in dieser mir so angenehmen Unterhaltung bis zu dem Augenblick, wo Sie uns zu besuchen kommen; doch schließe ich in solcher freudigen Aussicht, deren Erfüllung Sie uns gewiß gönnen werden. Auch Ihrer lieben Tochter die schönsten Grüße von mir und den Meinigen.

Weimar den 23. März 1829.


[Beilage.]

Es würde mir sehr angenehm seyn, wenn Herr Professor und Hofbildhauer Rauch die Stempel, von Herrn Brandt zu meinem Jubiläum geschnitten und in königlicher Münze abgeprägt, gegen diesen Empfangschein zu sich nehmen und mir solche anher schicken wollte.

Weimar den 26. März 1829.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Christian Daniel Rauch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7D78-0