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An Siegmund August Wolfgang Herder

Darf ich es bekennen, so hab ich an Ihrem baldigen Hierherkommen, theuerster Herr und Freund, immer gezweifelt. Die höchste Wichtigkeit Ihres Geschäftes, das bey der größten Consequenz immer mehr zufälligen Schädlichkeiten als Nützlichkeiten unterworfen ist, der große Umfang, den Sie zu überschauen genöthigt sind, erzeugen Verpflichtungen, welche die Aufmerksamkeit der Tage, ja der Stunden erfordern.

Die neue Antonshütte muß ein wohlüberdachtes zweckmäßiges Unternehmen seyn. Es ist Ihnen vielleicht nicht bequem, mich etwas näher damit bekannt zu machen, als ich aus den mitgetheilten Papieren entnehmen kann. Wenn ich nun aber bey dem allgemeinen [97] »Glück auf!« zu vollkommenem Musen freundlich begrüße, so wird es Ihnen nicht unangenehm seyn. Fürwahr: jene Lieder, von einem reinen Enthusiasmus beseelt, sind, mit heitrem Sinn und Geschmack vorgetragen, geeignet nicht allein die Gebildeten zu ergötzen, sondern auch tüchtige natürliche Menschen zu einem Gefühl höherer Bildung heranzulocken.

Auch die beiden gesendeten Mineralien waren mir sehr willkommen. Von dem altenbergischen Beryll hab ich schöne Stücke, aber bey dem gegenwärtigen zeigt sich eine Spur von Salbändern, die ich früher nicht bemerkt hatte, wodurch auf sein Vorkommen als Gangart hingedeutet wird. Das schillernde Stück Wismuth-Kobalt ist mir nicht weniger werth, theils weil es den Einfluß des Arseniks auf eine sehr zarte Crystallbildung bemerklich macht, theils weil ich auf die verschiedenen Spiegelungen jetzt doppelt aufmerksam bin, wodurch die Ursache alles Schillers zu Tage kommt. Diese Betrachtungen locken mich zu weit, daß ich eilig abbrechen muß. Wenn man mit diesen Phänomenen recht ausführlich bekannt ist, so findet man sich auf einmal von der prätendirten Polarisation des Lichts und allen ihren Quängeleyen völlig befreyt.

Nun aber lassen Sie mich schließen, damit dieses lang verzögerte Blatt endlich abgehe.

Herrn Geheimen Rath v. Reitzeinstein, welcher Ihre angenehme Sendung bey mir abgehen lassen, habe leider [98] nicht gesehen, da ihm die vielerley Verpflichtungen des Hofes nicht gestattet, seinen Besuch zu wiederholen.

Nun aber darf ich versichern, daß ich die kunstreiche und würdige Darstellung meines alten geprüften Freundes auf der ihm gewidmeten einige Hoffnung gibt, Sie hier zu sehen, so wünsche nur, daß mein zwar leidliches, aber doch manchmal schwankendes Befinden mir den völligen Genuß Ihrer werthen Gegenwart begünstigen möge.

Hochachtungsvoll

unwandelbar

J. W. v. Goethe.

Weimar den 30. September 1831.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Siegmund August Wolfgang Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7DA0-3