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An Carl Ludwig von Knebel

Nachdem wir so lange Zeit uns täglich gesehen und einander so mancherley mitgetheilt, wird es mir [226] zur peinlichen Entbehrung dir nicht mancherley auf der Stelle vorzulegen, die ich jetzt um so lebhafter fühle, als Staatsrath Schultz von hier abgereist ist. Ich habe mit diesem vorzüglichen Manne manche bedeutende Unterhaltung gehabt, manches gelernt und manches entwickelt. Seine Art die physiologen Farben anzusehen ist höchst bedeutend und die entoptischen werden immer glänzender. Sein letztes und dringendes Anliegen war, mich nach Berlin einzuladen, worauf er schon während seines ganzen Hierseyns präludirte. Wozu ich mich auf's Frühjahr entschließen werde, weiß ich nicht; denn gar vieles lockt mich dorthin und manches ist abschreckend.

Laß mich bald von dir hören und sende mir die Werneriana, auch die Melonenkerne, an beides werde ich erinnert. Manches geht bey mir ein, doch gerade nichts, was ich dir interessant glaube. Pfaffen und Schulleute quälen mich unendlich, die Reformation soll durch hunderterley Schriften verherrlicht werden; Maler und Kupferstecher gewinnen auch was dabey. Ich fürchte nur, durch alle diese Bemühungen kommt die Sache in's Klare, daß die Figuren ihren poetischen, mythologischen Anstrich verlieren. Denn, unter uns gesagt, ist an der ganzen Sache nichts interessant als Luthers Charakter und es ist auch das Einzige, was der Menge eigentlich imponirt. Alles Übrige ist ein verworrener Quark, wie er uns noch täglich zur Last fällt.

[227] Nun lebe schönstens wohl, grüße die lieben Deinigen. Den Inhalt dieser Schachtel gieb dem kleinen Wildfang und schicke sie mir zurück. Ich bin fleißig und bringe besonders Papiere und Mineralien in Ordnung. Das Beste wünschend

Weimar d. 22. August 1817.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1817. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7DF9-C