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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Ihr gehaltreiches Schreiben, mein Allerwerthester, kann ich aus mancherlei Drang und Drängen nur eilig beantworten. Bleiben Sie ja dabey, vorerst den Frontin zu geben: auf einer vorhergehenden Bejahung findet die Verneinung einen bessern Grund. Leider ist weder das gewünschte Buch noch auch die Übersetzung auf unsrer Bibliothek. Im Fea will ich nachsehen lassen.

Ich darf hoffen, Ihr Antheil an dem Schillerschen Briefwechsel wird sich mit den nächsten Bänden steigern; die letzteren, obschon durch unser Zusammenseyn in Weimar magerer ausfallend, werden doch immer dadurch [270] interessant seyn, daß daraus ein reines, redliches, mäßiges, selbstbewußtes Streben hervorgeht, welches überall erfrischend und belehrend wirkt.

Bürgers Versuch liegt im Merkur von 1776 vor, auch ist er in dessen Werke, in deren zweyten Band, aufgenommen. Der damalige Antheil von Weimar und seinen Genossen an dieser Arbeit zeigt von dem guten Willen, den man hatte, alles zu fördern, was sich nur irgend Hoffnungsvolles hervorthat. Seit soviel Jahren hab ich diese Bemühungen nicht wieder angesehen und wüßte, wenn ich sie wieder vornehmen sollte, wahrscheinlich nicht viel darüber zu sagen. Möge Herrn Professor Wiedasch bey so gesteigerter Cultur in Verständniß und Rhythmik etwas recht Vorzügliches gelingen.

Unser Berliner Farbenfreund, Herr v. Henning, läßt nichts wieder von sich hören; er ist einigemal in Thüringen gewesen ohne bey mir einzusprechen. Ich begreife recht gut, daß das entscheidende Leben ihn aus einem so weiten und gränzenlosen Felde zurückrief.

Wahrscheinlich finden Sie in einer dortigen Lesegesellschaft das Morgenblatt, und unter dem 12. Januar dieses Jahrs, wenn ich nicht irre, Bemerkungen über das Colorit, in Bezug auf Goethes Farbenlehre. Es wird Sie gewiß freuen, daß diese Samenkörner, wenn auch langsam, doch kräftig hie und da aufzugehen anfangen.

[271] In Genf ist eine französische Übersetzung meiner Metamorphose der Pflanzen herausgekommen. Nachdem dieses Büchlein vierzig Jahre in der Welt ist und mannichfaltig gewirkt hat, so glauben die Franzosen ganz unschuldig, sie seyen a posteriori auf gleiche Gedanken gekommen. Läugnen kann man nicht, daß ihnen die Anwendung der Maxime sehr wohl gerathen ist.

Wie vieles Andere hätte ich noch zu sagen, doch ich sende dieses Blatt in Hoffnung baldiger Mittheilungen von Ihrer Seite. Die hohe Staatsmaxime: Eile mit Weile, gilt in meinen Jahren nicht mehr.

Und so fortan!

treulichst

Weimar den 16. May 1829.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E38-5