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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Beykommendes Heft, welches wenigstens in einigen Theilen als posthum angesehen werden kann, belebt, indem ich es absende, das Andenken an die Freundschaft und Güte wodurch Sie mich schon mehrere Jahre beglücken. Hat auch in der letzten Zeit die Mittheilung gestockt, so bin ich doch durch den Aufenthalt meiner Kinder in Berlin und deren höchst freundliche Aufnahme jenen Zuständen und auch Ihnen besonders nahe genug gekommen.

Wichtige Aufträge haben Ihre Thätigkeit, wie ich höre, in eine bedenkliche Region versetzt, wodurch Sie dem was uns sonst gemeinsam interessirte freylich sehr entfremdet seyn mögen; doch habe ich, auch schweigend, vergangenen Sommer Ihrer hundertmal gedacht, als ich zu Jena in dem bekannten Gartenstübchen die entopischen Farben nach allen ihren Bedingungen durcharbeitete; die einzelnen Erfahrungen schrieb ich sogleich nieder und ordnete sie dann nach der Weise, die Ihnen aus meiner Farbenlehre bekannt ist. Es sind immer die alten Phänomene, unter andern Bezügen sich wiederholend und sich der Hauptansicht willig fügend.

Bey Ihnen darf ich wohl nicht anfragen, ob Sie indessen auf Ihrem Wege fortgegangen? Sagen Sie mir aber doch ein Wort von Ihren Zuständen.

[217] Gewöhnlich richtet sich das Tischgespräch meiner Kinder nach Berlin, und da kommen denn, mit Geistes- und Herzensverwandschaften, auch die geistlichen zur Sprache. Sagen Sie, ob alles im Hause und so auch das Pathchen wohl sey? Meine Tochter ist noch, wie ich höre, ein Dankschreiben schuldig für die trefflichen, von uns mit lautem Dank verzehrten Küchengaben; für dießmal empfiehlt sie sich schönstens, in einer etwas peinlichen Lage, denn sie giebt sich eine zwar mütterlich-löbliche, aber doch unter vorwaltenden Umständen, wie mich dünkt, zu ängstlich-entkräftende Bemühung um ihren Kleinen, den die Masern bedrohen.

Ich von meiner Seite suche den Tag möglichst zu benutzen und bereite mich, bald wieder nach Carlsbad zu wandern, grüße zum allerschönsten und wünsche künftige Mittheilung nicht wieder so lange unterbrochen.

treulichst

Weimar den 31. März 1820.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E56-3