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An Johann Gottfried und Caroline Herder

Ich habe lange von dir nichts gehört, lieber Bruder, bin wieder hier in Breslau, nachdem wir von einer Reise nach Tarnowitz, Krakau, Wilitzka, Czenstochowa glücklich gestern zurückgekommen sind. [223] Ich habe in diesen acht Tagen viel Merkwürdiges, wenn es auch nur meist negativ merkwürdig gewesen wäre, gesehen. An dem Grafen Reden, dem Director der Schlesischen Bergwerke, haben wir einen sehr guten Gesellschafter gehabt. Nun sind wir wieder hier in dem lärmenden, schmutzigen, stinkenden Breslau, aus dem ich bald erlöst zu sein wünsche. Noch will nichts rücken, von der Abreise des Königs wird gar nichts gesprochen, indessen wünscht sich alles nach Hause, weil doch kein Anschein ist, daß es zum Ernste kommen könnte. Ob der Courier, der aus Petersburg jede Stunde erwartet wird, Epoche macht, wird sich zeigen.

Auch bei mir hat sich die vis centripeta mehr als die vis centrifuga vermehrt. Es ist all und überall Lumperei und Lauserei, und ich habe gewiß keine eigentlich vergnügte Stunde, bis ich mit Euch zu Nacht gegessen und bei meinem Mädchen geschlafen habe. Wenn Ihr mich lieb behaltet, wenige Gute mir geneigt bleiben, mein Mädchen treu ist, mein Kind lebt, mein großer Ofen gut heizt, so hab' ich vorerst nichts weiter zu wünschen. Der Herzog ist sehr gut gegen mich, und behagt sich in seinem Elemente.

Lebt wohl. Es erwähnt kein Brief, daß Eure Familienkette um Ein Glied oder ein Paar vermehrt worden sei. Der neue Ankömmling wurde, däucht mich, früher erwartet. Lebt wohl. Grüßt Augusten und die übrigen.

Breslau d. 11. September 90.

G. [224]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1790. An Johann Gottfried und Caroline Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7E9A-B