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An Carl Ludwig von Knebel

Mit vieler Freude hab ich deinen langen Brief erhalten der mich München näher bringt und mir dein Leben dort gleichsam im Spiegel sehen lässt. Deine Briefe an unsre Freunde hab ich auch gelesen, mir auch das meinige daraus genommen, und lebe so auch in der Entfernung mit dir fort. Deine Mineralogische Bemerckungen durch Tirol waren mir werth du bist auf dem rechten Weege und siehst auch wie nothwendig iene ersten grosen Begriffe sind auf denen ich ruhe und zu ruhen empfehle, um über grose und neue Gegenstände der Natur und Cultur richtig und leicht zu urtheilen. Der Mensch ist mit seinem Wohnorte so nah verwandt daß die Betrachtung über diesen auch uns über den Bewohner aufklären muß.

Deine Beschreibung vom Münchner Publiko in Absicht aufs Theater versezt mich in's Schauspielhaus, leider ist auch da für meine Absicht wenig zu thun, doch gebe ich nicht alle Hoffnung auf.

[152] Meine Sache ist diese, die ich dir ans Herz lege überdencke sie und schreibe mir deine Gedancken.

Kayser in Zürch hat mich von Jugend auf interessirt, sein stilles zurückhaltendes Wesen hat mich gehindert ihn früher in die Welt zu bringen, das wie ich nunmehr sehe sehr glücklich war. Ich merckte aus seinen Briefen die er auf seiner italienischen Reise schrieb, daß er den Geist der komischen Oper wohl gefaßt hatte, ich machte das bekannte Stück und er ist nun drüber. Nun ist leider das deutsche Lyrische Theater überall erbärmlich, wer singen und spielen kann zieht sich zum italienischen und das mit Recht. Du glaubst selbst es sey in München für unser Stück nichts zu thun. Das schadete aber im Grunde nichts man kan ein anders machen.

Was sagst du aber dazu? Wenn das Stück fertig wäre, wollte ich ihn nach München schicken, er sollte dort vor Kennern und Liebhabern nur in Conzerten einzelne Arien ohne Prätension produziren, da er selbst ein trefflicher Clavierspieler ist, sich hören lassen ohne den Virtuosen zu machen, ohne sich bezahlen zu lassen, sollte sich empfehlen, den Geschmack des Publici studiren mir seine Gedancken schreiben und ich könnte ihm alsdann, wenn ich besonders durch deine Bemerckungen was dort gefällt, was von Ernst und Scherz am meisten Effeckt macht genugsam unterrichtet wäre, ein Stück machen das gewiss würcken sollte.

Überdencke es und lass es mit Entzweck deines[153] dortigen bleibens seyn. Ich kommunizire dir meinen Plan, lese dir das Stück und du musst in die Seele des Münchner Publicums votiren.

Ein ähnliches habe ich auf Wien mit ihm vor, er kann und wird sich poussiren.

Du thust mir einen wesentlichen Dienst wenn du ihm auch Freunde vorbereitest, und dich um die Verhältnise des Virtuosen Webers erkundigt, damit er in ein Bekannt Land komme. Seze gelegentlich Punckte auf die ihm zur Instrucktion dienen können, damit alles leichter und geschwinder gehe. Welches ist die beste Jahrszeit? Wie viel brauchte er wohl um ein Viertel Jahr zu existiren.

Dies ists was mir iezo sehr am Herzen liegt hilf mir es ausführen.

Der Kasten mit Mineralien ist an dich schon abgegangen ich wünsche guten Tausch. Wir können mehr schicken.

Verschreibe auch die Turmalin Stufe ich will das Geld an Ludekus zahlen.

Was mit mir das nächste Jahr werden wird, weis ich noch nicht. Grosen und weiten Aussichten mag ich den Blick nicht zu wenden.

In's Carlsbad geh ich auf alle Fälle, ich bin dieser Quelle eine ganz andre Existenz schuldig.

Übrigens bin ich fleisig, meine Geschäffte gehn ihren Gang, sie bilden mich indem ich sie bilde.

Wilhelms 6tes Buch ist fertig, ich schicke dirs aber nicht.

[154] Ich habe wieder ein Singspiel angefangen, das aber leider auch nicht für München ist. Mache mir doch einmal eine Beschreibung der singenden Schauspieler und ihrer Fähigkeiten. Lebe wohl. Liebe mich, ich bin dir herzlich getreu.

Hier ein Brief vom Herzog, ich habe ihn aus dem Couverte gethan ohne hineinzusehn, daß ich das Porto vermindre.

Adieu. Alle Freunde sind wohl.

d. 30. Dez.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1785. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7EAC-3