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An Adele Schopenhauer

Das Medusenhaupt ist glücklich angekommen, alles Dankes werth, deshalb, vor allen Dingen, das Verbindlichste dem Zeichner und der Vermittlerin.

Nun aber zuvörderst sey von Ihrem lieben Schreiben die Rede, auf welches ich erwidern möchte: Wenn Sie, meine Gute, auch eine Zeit lang nichts unmittelbar von mir erhalten, so denken Sie nur immer, ich sey beschäftigt mit etwas das Ihnen zunächst Freude machen werde. Meine Wirkung in die Ferne ging in der letzten Zeit manchmal nicht hinauf in die Mansarde; ich mußte mich mit dem Blick in einen beschneiten Garten, aus einer warmen Stube begnügen, wenn ich mir selbst leben und mein Geschäft einigermaßen vorwärts schieben wollte.

In obigem Sinne nun möcht ich Sie gern an den 29. Band meiner Werke anweisen, wovon ich mit der entschiedensten Wahrheit sagen kann: Daß ich an alle meine Freunde der Reihe nach, auch an Sie und Ihre liebe Frau Mutter gedacht, als zu denjenigen gehörend denen man einen Antheil an allem Guten und Edlen, auch an jedem sinnigen Streben mit Sicherheit zutrauen darf.

Wenn Sie mir nun freundlich melden von den günstigen Wirkungen des, nicht ohne Bedenklichkeit herausgegebenen Briefwechsels, ist es mir höchst willkommen, [212] denn es bestärkt mich im Glauben: gerade diese Mittheilung werde einem freyen, wohldenkenden Geist, wenn er sie mit anderen gleichzeitigen Vertraulichkeiten, wie Freunde sich einander offenbarten, vergleicht, ganz gewiß einen schönen Aufschluß über die inneren ethischen Verhältnisse unseres Literar-Wesens, aus welchem so manches Löbliche hervorgegangen, sich zu gewinnen in den Stand setzen.

Daß etwas für unsern Freund v. Schlegel Bedenkliches darin möchte enthalten seyn, wüßte ich mich nicht zu erinnern. Seit dem Druck habe ich die Briefe nicht wieder angesehn, ja, seit der, vor Jahren durchgeführten Redaction, niemals ganz durchaus gelesen. So viel aber weiß ich recht gut: daß ich Schillern oft zu beschwichtigen hatte, wenn von den talentvollen Brüdern die Rede war; er wollte leben und wirken, deshalb nahm er es vielleicht zu empfindlich wenn ihm etwas in den Weg gelegt wurde, woran es denn die geistreichen jungen Männer mitunter nicht fehlen ließen.

Ich kehre nun zu meinem Anfange zurück und wiederhole den lebhaftesten Dank für die Zeichnung der Maske. Unser Künstler hat sich als einen solchen bewährt, der Charakter und Styl des Alterthums zu empfinden und wiederzugeben weiß. Die Vergleichung mir der Medusa Rondanini ist höchst wichtig, der Mund, auf den soviel ankommt, höchst übereinstimmend und so wie diese Nachbildung vor mir liegt, kann sie uns völlig den Begriff des Originals überliefern.

[213] Sollte es jedoch ohne dortige große Unstatten und diesseitige bedeutende Kosten geschehen können, daß ein Abguß besorgt und hierher gesendet würde; so sollte er mir und den Kunstfreunden des mittlern Deutschlands höchst angenehm seyn. Sie schreiben ja wohl etwas Näheres drüber und empfehlen mich den dort Mitwirkenden zum allerschönsten. Auch Ihrer Frau Mutter Glück und Heiterkeit zu anmuthigen Productionen!

Den noch übrig gebliebenen Raum will ich benutzen um meine Verwunderung auszudrücken über den Jugendstreich unsres Herrn Präsidenten. Alter schützt vor Thorheit nicht und die Wissenschaften also auch nicht. Wir anderen, die in Ausübung mancher Thorheit alt geworden, dürfen freylich den ersten Stein nicht aufheben und uns nicht vermessen, wenn wir das Glück hatten wohlfeiler davon zu kommen. Doch ist dieser Fall ein bischen gar zu arg, und man wüßte nicht was da herauskommen sollte, wenn nicht in dieser leichtfertigen Welt das Allerbedeutendste im nächsten Augenblick zu Nichts würde.

Da, wie ich höre, Professor Walther in Bonn bleibt, so ist der Akademie allerdings Glück zu wünschen, doch betrübt es mich für meinen guten König von Bayern, der eines tüchtigen und sorgsamen Arztes wirklich bedarf. Halten Sie sich gut, meine Liebe, schreiben Sie bald, damit auch ich zur Erwiderung angeregt werde.

[214] Lassen Sie uns bald die Früchte Ihrer geistreich fleißigen Stunden in unserem Kreise erblicken.

treu angehörig

Weimar den 16. Januar 1830.

J. W. v. Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Adele Schopenhauer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7ECE-8