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An Carl Friedrich Zelter

Die im Datum sich nach und nach folgenden Blätter deines gehaltigen Paquetleins kamen mir sehr zur rechten Zeit in meine einsame Gartenwohnung, wo mir, ich will es nur gestehen, wegen eines so langen Schweigens auf mannichfaltige Sendungen, mancherlei Grillen aufstiegen. Doch hat es sich nun so ganz anmuthig und erwünscht aufgelöst daß mir der heutige 18. Juli als ein wahrer Festtag erscheint.

Ich habe mir hier in meinem Erdfälchen das alte und neue Rom in weitschichtigen Bildern, nicht weniger das alte Italien und Latium vor Augen gehängt und gestellt; viele Bücher dieses Inhalts und Sinnes um mich versammelt und belebe so möglichst die Erinnerungen an meinen zweyten Aufenthalt in Rom, da ich denn den Band, der solches geschrieben enthalten wird, auch deiner wohlwollenden Aufmerksamkeit empfehle.

Vom 4ten Band der Schillerischen Correspondenz besitze ich freylich nur die Aushängebogen, und weiß nicht wenn derselbe wird in's Publicum gebracht werden. Der Buchhandel hat sein eigenes Gehen und Kommen, wovon der Autor wenig Rechenschaft zu geben weiß.

Die jungen Almanachs-Männer sollen mir durch dein Wort so weit empfohlen seyn daß ich über ihr[15] Anliegen denken will; sie haben den ersten Bogen frey gelassen, also hab ich Zeit. Find ich etwas, wär es auch nicht von Belang, aber doch nicht ohne Bedeutung, so send ich es noch zur rechten Zeit. Ich habe es dem alten Gleim von Grund aus verdacht daß er seinen Namen, unter den geringfügigsten Dingen, bis in's hohe Alter in den Taschenbüchern fortwalten ließ und auf diese Weise von sich selbst ein absterbendes Echo werden mußte. Diese widerwärtige Erinnerung macht mir unmöglich auf gleiche Weise zu verfahren.

Nun aber erlaube mir ein vertraulich Wort: der liebe Gartenverein transcendirt auch, wie die übrige Christenheit, und verliert sich in den Minutien des gränzenlos Mannichfaltigen. Wir haben der Weinsorten schon zu vielerlei, und bey'm praktischen Weinbau kommt alles darauf an, daß man die Sorten zusammenpflanze die mit einander blühen und reif werden; alles andere ist vom Übel. Der Mensch aber kann nicht ruhen, er will immer noch was anders. Sodann bedenkt niemand, weder bey Euch noch bey uns, daß wir hinter den 51. Grad gebannt sind, gerade an die Gränze einer edleren Vegetation. Glashäuser anzulegen ist das Vernünftigste, wenn gleich diese von dem Gott- und Weltvergessenen Hagel so übel behandelt werden.

Der polnische Dichter besuchte mich, die Fürstin Wolkonsky begleitend, mit größerer Umgebung, sprach [16] kein Wort und hatte nicht den guten Sinn sich einzeln bey mir zu melden. Wäre man nicht auch in der Welt oft genug zur unrechten Zeit unbeholfen gewesen, so würde man ein solches Betragen tadeln und schelten.

Professor Rauch war einen Tag bey uns und, nach seiner alten Weise, anmuthig, heiter und thätig. Ein junger Mann, den er mit sich brachte, der viel Talent haben mag, zeigte eine Art von Friede vor, lobenswürdig gedacht und gezeichnet, aber Christi Einzug in Jerusalem vorstellend, wo wir andern geängstigt werden, durch die Mühe die sich ein guter Kopf gibt, da Motive zu suchen wo keine zu finden sind. Wenn man doch nur die Frömmigkeit, die im Leben so nothwendig und liebenswürdig ist, von der Kunst sondern wollte, wo sie, eben wegen ihrer Einfalt und Würde, die Energie niederhält und nur dem höchsten Geiste Freyheit läßt sich mit ihr zu vereinigen, wo nicht gar sie zu überwinden.

Daß du auf den zweyten Faust zurückkehrst, thut mir sehr wohl; es wird mich das anregen, manches andere zu beseitigen und wenigstens das Allernächste was hieran stößt bald möglichst auszufertigen. Der Abschluß ist so gut wie ganz vollbracht, von den Zwischenstellen manches Bedeutende vollendet, und wenn man sich von Seiten höchster Gewalten auffangen und auf ein Vierteljahr einer hohen Festung anvertrauen wollte, so sollte nicht viel übrig seyn. [17] Ich habe alles so deutlich in Herz und Sinn daß es mir oft unbequem fällt.

Und nun von dem Anmuthigsten zuletzt! Es gereicht mir zur innigsten Freude, daß Prinzeß Auguste dir mit Ihren Vorzügen so glücklich erschienen ist; sie verbindet frauenzimmerliche und prinzeßliche Eigenschaften auf eine so vollkommene Weise daß man wirklich in Verwunderung geräth und ein gemischtes Gefühl von Hochachtung und Neigung in uns entsteht. Ich wünsche daß du in Folge noch öfters Gelegenheit haben mögest dich davon zu überzeugen.

Soviel aus meinem stillen und, da die Heuerndte vorüber ist, vollkommen grünen Thal. Die Ruhe ist so groß daß heute früh ein artiges Reh, aus den Büschen hervortretend, ganz gelassen sich weiden ging. Womit dir im lebenslustigen, getümmelreichen Berlin auch ein froher genußreicher Morgen gegönnt sey.

treu fleißig verharrend

Weimar den 19. Juli 1829.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1829. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7ED9-C