44/239.

An Friedrich Theodor von Müller

Indem Sie, mein theuerster Herr und Freund, auf jede Weise durch die Welt gefördert, Freunden [316] und Bekannten zugeführt werden und sich von neu herantretenden, vorzüglichst wirksamen Personen umgeben sehen, so bringen meine Tage nicht das geringste Datum oder Factum, womit ich diesen Brief einigermaßen zieren könnte, den Reichthum des Ihrigen zu erwidern. Hiezu bleibt mir jedoch der mit der treusten Gesinnung ausgesprochene Wunsch: es möge das gute Glück, das Sie bis hieher begleitete, Sie gleichfalls zu uns wohlbehalten wieder zurückführen.

Also um Sie in Düsseldorf willkommen zu heißen, Sie zu bitten, den dortigen Guten mich bestens zu empfehlen, sende ich diese Zeilen ab, nach freundlichem Wunsch und Andeutung.

Damit aber die Armuth meines Briefes von der Überfülle Ihres schätzbaren Schreibens nicht allzu sehr absteche, vermelde wenigstens einiges von den stillen Schritten meines Lebens und den nächsten Ereignissen. Nach Abschied des holden Besuches von Dornburg beschäftigte ich mich sogleich mit Einpacken und Loslösen, fuhr am 11. September über die Dörfer nach Kötschau, frühstückte angesichts der thüring'schen Helena, traf die Meinigen wohl, wartete Ihro Hoheit der Frau Großherzogin auf, fand sie wie ich sie längst kenne und auch jetzt erwarten durfte, fügte mich in mancherlei Geschäfte, nahm Abschied von der Botanik, die mich, wie geliebte und geprüfte Freundinnen thun, mit unerwarteten allerschönsten Gaben entließ. Sodann hatte ich gar löbliche Kunstwerke auszupacken, [317] wobey sich die Münchner Talente ganz besonders hervorthun. Ferner, daß ein gar lieber Brief von Stieler mir die willkommene Nachricht gibt, wie Ihro Majestät der König am 28. August meinem Bilde in seiner Werlstatt einen Besuch gemacht und ihm die freundlichsten und ehrenvollsten an mich auszurichtenden Aufträge zu ertheilen die Gnade gehabt.

Nun merk ich aber erst, daß der Schluß meines Briefes mit dem Anfange in einigem Widerspruch steht, besonders da ich noch zu melden habe, daß aus Carlsbad und Franzensbrunn die besten Nachrichten eingelaufen und wir Hoffnung haben, unsre Herrschaften den 24. oder 26. September gesund und wohlbehalten wieder zu verehren, woraus denn hervorgeht, daß Sie unsern ganzen Kreis, um seinen Mittelpunct versammelt, in getroster hoffnungsvoller Bewegung bey Ihrer Wiederkehr finden werden; auch mich in den bekannten Zuständen und treuen Gesinnungen. Wie ich denn Gegenwärtiges aus dem alten, der Liebe, der Freundschaft und den Musen höchst günstigen Gartenhause bey hohem Barometerstande, frischer über mich hinwehender Ostluft und heiterstem Himmel zutraulich ablasse; wünschend und hoffend, das klare Wetter werde auch über Ihre Reise fernerhin walten und uns endlich einen schönen Tag verleihen, wenn wir an Ihrem ländlichen Herde eine umständliche Erzählung alles Ihnen unterwegs gleichsam aufgedrungenen Guten vernehmen können.

[318] Mit wiederholten lebhaftesten Grüßen an die theuren rheinischen Freunde,

Wie herkömmlich liebend, vertrauend,

theilnehmend

Weimar den 22. September 1828.

Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Friedrich Theodor von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-802C-3