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An Carl Friedrich von Reinhard
Ihre beyden lieben Briefe, mein verehrter Freund, habe ich in Jena erhalten und also die Fürstinn Repnin leider nicht gesehen, der ich in Ihrem Namen gern recht freundlich gewesen wäre.
Ich befinde mich seit länger als sieben Wochen hier und komme mir vor wie jene Schwangere, die weiter nichts wünscht, als daß das Kind zur Welt komme, es sey übrigens und entstehe was ich will. Diese Geburt wird sich etwa in der Hälfte Octobers bey Ihnen präsentiren. Ich bitte um gute Aufnahme.
Was Ihren Wunsch betrifft, einen Hauslehrer für Ihre Kinder zu haben, darüber weiß ich noch wenig tröstliches zu sagen. Selbst Freunde in der Nähe von mir behelfen sich gewissermaßen nur in diesem Puncte. Vor kurzem hat sich Herr von Humboldt bey seiner Durchreise, so wie Kanzler Niemeyer nach ähnlichen Subjecten erkundigt. Sie sehen daraus, wie [102] selten die Erfordernisse zu solchen Stellen gefunden werden. Man hat mir von einem jungen Menschen gesagt, der sich hier befindet und nicht übel seyn soll, der aber wenigstens noch ein Jahr braucht, um sich zu einer solchen Stelle fähig zu machen.
Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, wo auf einmal ein Mangel herkommt wo sonst ein Überfluß war. Es scheint mir aber an den Schulen zu liegen, die theils einen philanthropinischen, theils einen andern modischen Einfluß erleiden, so daß die jungen Männer nicht genug mit auf Akademien bringen und dort wieder Richtungen nehmen, die sie von der Bahn abführen, worauf sie sich selbst und andern nutzen könnten.
Ich will mich zwar nach einigen Seiten hin erkundigen; aber ich wollte doch rathen, nach Göttingen, allenfalls an Sartorius, zu schreiben: denn dort sollte doch am ersten noch eine solche Pflanzschule seyn, in der sich eine Person nach unsren Wünschen fände.
Vorstehendes war schon lange geschrieben, allein weil es mir gar zu leer und unerfreulich vorkam, so ließ ich es liegen, um so mehr als ich Spur von einem jungen Menschen fand, der schon mit Zufriedenheit seiner Principale einer Erziehung vorgestanden, auch schon einige Reisen gemacht hatte, und dabey noch jung genug war. Er suche eben, hieß es, eine neue Condition. Es ward sogleich nach ihm geschrieben,[103] aber man hat mich seit der Zeit ganz ohne Nachricht gelassen.
Und nun will ich nicht länger dieses Blatt aufhalten, damit ich nicht ganz untheilnehmend und unthätig erscheine. Die erste Nachricht die ich erhalte, geht sogleich ab.
Noch bin ich in Jena, und hoffe die letzten Bogen meines Romans noch vor Ablauf des Stillstandes, oder vor Unterzeichnung des Friedens, gedruckt zu sehen. Es ist auf dieses kleine Werk so viel verwendet worden, daß ich hoffen kann, man wird es mit Antheil aufnehmen.
Das erste vollständige geheftete Exemplar gebe ich für Sie auf die fahrende Post. Indessen können noch immer vierzehn Tage hingehen, bis es in Ihre Hände kommt.
Den wegen des Theaters geäußerten Wunsch will ich in einem seinen Herzen behalten, obgleich die Erfüllung nicht wahrscheinlich ist. Eine solche Masse Menschen vom Fleck zu bewegen, ist mit gar zu großen Kosten verknüpft. Den Winter können wir sie nicht entbehren und für den Sommer haben wir einen Contract der uns an Lauchstädt bindet. Für die Zeit die uns noch übrig bleibt, haben uns die Hallenser, welche bey sich eine Badeanstalt errichten, vortheilhafte Bedingungen gethan. So viel für heute, mit den lebhaftesten Wünschen für Ihr und der Ihrigen Wohlergehen.
Jena den 1. October 1809.
Goethe. [104]