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An Carl August Böttiger

Zürch am 25. Octobr. 1797.

Es war unserm Meyer und mir ein angenehmer Empfang in Zürch auch einen Brief von Ihnen vorzufinden, denn besonders seitdem die Aldobrandinische Hochzeit dem weit und breit gewaltigen Buonaparte glücklich entronnen und vor wenigen Tagen in Stäfe[343] angelangt war, so konnte der Wunsch nicht außen bleiben, dieses dem Moder und den Franzosen entrißne Bild schon in Weimar aufgestellt und von Ihnen beleuchtet zu sehen. Es wird sorgfältig eingepackt auf der Reise mitgeführt, weil wir diesen Schatz fremden Händen und neuen Zufällen nicht aussetzen mögen.

Die Freunde, denen ich hier Herrmann und Dorothea gern mitgetheilt hätte, werden sich denn wohl noch eine Zeit lang gedulden, Vieweg hat vielleicht Ursache daß er einzelne Exemplare, ehe die ganze Versendung gemacht ist, nicht in die Welt streuen mag.

Ich freue mich für Hirt daß sein Vorschlag angenommen ist, wenn der König nur lang genug lebt daß der Grund auf den Boden kommt und die Säulen aufgestellt sind. Uns verlangt sehr eine Zeichnung zu sehen. Grüßen Sie ihn schönstens und danken ihm vorläufig für seine Bemühung.

Seitdem ich mit Meyer wieder zusammen bin, haben wir viel theoretisirt und praktisirt, und wenn wir diesen Winter unsern Vorsatz ausführen und ein Epitome unserer Reise und Nichtreise zusammen schreiben, so wollen wir abwarten, was unsere Verlagsverwandte für einen Werth auf unsere Arbeit legen, es soll keiner von der Concurrenz ausgeschlossen seyn. Unsere Absicht ist ein paar allgemein lesbare Oktavbände zusammen zu stellen und im dritten das [344] als Noten und Beylagen nachzubringen, was vielleicht nur ein spezielleres Interesse erregen könne. Davon soll denn bey unserer nächsten Zurückkunft weiter gehandelt werden, um desto ausführlicher, als wir uns Ihre Beyhülfe zu erbitten haben.

Das gute Zeugniß, das Sie unserm Theater geben, hat mich sehr beruhigt, denn ich leugne nicht, daß der Tod der Becker mir sehr schmerzlich war. Sie war mir in mehr als Einem Sinne lieb. Wenn sich manchmal in mir die abgestorbene Lust für's Theater zu arbeiten wieder regte, so hatte ich sie gewiß vor Augen, und meine Mädchen und Frauen bildeten sich nach ihr und ihren Eigenschaften. Es kann größere Talente geben, aber für mich kein anmuthigeres. Die Nachricht von ihrem Tode hatte ich lange erwartet, sie überraschte mich in den formlosen Gebirgen. Liebende haben Thränen und Dichter Rhythmen zur Ehre der Todten, ich wünschte, daß mir etwas zu ihrem Andenken gelänge.

Über die Genauigkeit, mit welcher Meyer die Kunstschätze der alten und mittlern Zeit recensirt hat, werden Sie erstaunen und sich erfreuen, wie eine Kunstgeschichte aus diesen Trümmern gleichsam wie ein Phönix aus einem Aschenhaufen aufsteigt. Wie wichtig ein solcher neuer Pausanias sey, fällt erst in die Augen, wenn man recht deutlich anschaut, wie die Kunstwerke durch Zeit und offenbare oder geheime Ereignisse zerstreut und zerstört werden. Wie [345] manche Unterhaltung soll uns dies und alles was damit verwandt ist diesen Winter geben! Gegenwärtig wollen wir nur noch von Basel in das nicht gelobte Land hinübersehen und dann wahrscheinlich über Schafhausen und durch Schwaben unsern Rückweg antreten.

Leben Sie recht wohl und gedenken unserer!

Das Exemplar des Vasenheftes soll von Frankfurt wieder zurückkommen. Den neuen Musenalmanach habe ich noch nicht gesehen, da ihm das Gewürz der Bosheit und Verwegenheit mangelt so fürchte ich, daß er sich mit seinem vorjährigen Bruder nicht werde messen können.

Nochmals ein Lebewohl und die besten Grüße an Freund Wieland, dessen freundliche, wohlbehaltne Tochter ich gestern mit Freuden gesehen habe. Das Enkelchen schlief, sonst könnte ich von dem auch einige Nachricht geben.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1797. An Carl August Böttiger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-81D6-C