20/5683.

An Anton Friedrich Justus Thibaut

[Concept.]

[22. Januar.]

P. P.

Ew. Wohlgeboren erhalten meinen verspäteten aber aufrichtigen und lebhaften Dank für die gütige und freundschaftliche Behandlung der Meinigen. Sie haben meinem Sohn in einer bedenklichen Krankheit Sorgfalt und Hülfe zugewendet und auf die liebreichste Weise die Stelle der Eltern vertreten, und ihm dadurch sowohl als uns eine bleibende Verbindlichkeit aufgelegt. Sie haben meiner Frau dadurch eine liebevolle Aufnahme und manche verschaffte Gelegenheit, die Heidelbergische Gesellschaft so wie die örtlichen Umgebungen zu genießen, eine heitre Erinnerung für das ganze Leben verschafft, indem sie sich nun ihren Sohn in einer angenehmen und sichern Lage denken und mir ihre Empfindung und Überzeugung davon mittheilen kann.

Was die Studien des jungen Mannes betrifft, so werden Sie mich höchlich verpflichten, wenn Sie solche nach Maßgabe seines Talents und Fleißes auch in der Folge dirigiren wollen. Wenn er die Zeit gut an wendet, die er den Studien zu widmen hat; so will ich sie ihm eher verlängern als verkürzen. Je älter man wird, je mehr fühlt man die Kürze der Jahre und sie sind doch auch für die Jugend nicht [286] länger als für das Alter. So bin ich z.B. das Wiederhören der Pandecten betreffend gleichfalls der Überzeugung, daß eine Pause dazwischen zu setzen sey. Ein junger Mann der ein solches bedeutendes Collegium zum zweytenmal hört, muß eigentlich mit Zufriedenheit empfinden, daß er indessen gewachsen ist, und daß er das was ihm vorher Mühe und Beschwerde verursachte, nunmehr mit Leichtigkeit behandelt.

Wegen der landsmannschaftlichen Verhältnisse hat er mir früher geschrieben und ich bin ganz wohl zufrieden damit. Verbindungen sucht sich der Mensch auf eine oder die andre Weise, da er nicht allein stehen kann, und er muß früher oder später lernen sich in Verhältnisse finden, sich ihrer Vortheile zu bedienen, ihre Unbequemlichkeiten zu tragen, oder ihnen auszuweichen. Auch hierüber bin ich um so beruhigter als ich weiß daß Ew. Wohlgeb. über diesen Punckt auf ähnliche Weise dencken.

Unter allen Planen und Wünschen die mir jetzo vorschweben, ist der wohl der angelegentlichste, daß es mir gegönnt seyn möchte, Ihnen und Ihrer Frau Gemahlinn meinen Dank persönlich abzutragen, und meine kleine Familie um Ihr Pianoforte versammelt zu sehen.

Der ich die Ehre habe mich mir besonderer Hochachtung zu unterzeichnen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Anton Friedrich Justus Thibaut. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8263-4