[250] 24/6820.

An Friedrich Maximilian Klinger

Ihr letzter Brief vom 2. Februar ist mir geworden, so wie derjenige, womit ich die sehr schätzbaren Schriftzüge jener großen Männer erhielt, deren Mittheilung ich dankbarlichst erkenne. Allein derjenige, worin Sie mir die Ankunft meines zweyten Bandes berichten, ist mir nicht zugekommen, und ich ward daher besorgt, Sie möchten das Packet nicht erhalten haben, und wollte Ihnen denselben gegenwärtig mit dem dritten zusenden. Nun aber kommt dieser allein, und ich wünsche, daß Sie Sich in demselben freundschaftlich abgespiegelt, mit einiger Zufriedenheit erblicken möchten. Da aber erst in der Folge unser Zusammenleben und Wirken eigentlich recht angeht, so wünschte ich, daß Sie selbst hierzu mir einige Beyträge gönnten, wie schon mehrere Freunde auf [250] mein Ansuchen gethan. Denn da es mir an Documenten aus jener Zeit gar sehr fehlt, und das Gedächtniß zu den Thatsachen wohl allenfalls hinreicht, aber nicht immer uns die Eindrücke, die wir damals empfingen, wieder hervorrufen kann, wir vielmehr öfters spätere Reflexionen unterschieben, so ist es uns höchst interessant zu erfahren, wie ältere Freunde sich und uns angesehen, und was sie sich noch von jenen Epochen bewußt sind. Vielleicht ließe sich hierzu der beste Faden auffinden, wenn es Ihnen nicht zuwider wäre, mir die Reihe Ihrer Hauptwerke aufzuzählen, mir von ihrer Entstehung Bedeutendes zu vertrauen, wie ich denn, was die ersten betrifft, schon wohl unterrichtet bin. Möchten Sie mich zugleich aufmerksam auf diejenigen Schriften machen, welche ich wieder zu lesen hätte, um mich in stetiger Folge mit dem bekannt zu machen, was Ihren Wachsthum und Ihre Ausbildung am nächsten bezeichnet, so würde ich mich freuen, nach meiner Weise Ihnen ein weiteres freundschaftliches Denkmal zu erbauen. Sieht es vielleicht wunderlich aus, daß ich hierzu mir Ihre Mitwirkung erbitte; so diene mir die rauschende Zeit und der Drang des Lebens zur Entschuldigung. Es ist nicht mehr möglich, durch eigenes Studium allem denjenigen genug zu thun, was man sich vorgesetzt hat; und ich erfahre noch täglich, wie fördersam die Winke von Freunden sind, mit denen man sich, vo frühere Jugend an, hat verstehen lernen.

[251] Die harte Prüfung, die Ihnen das Geschick zugedacht, habe ich mit der innisten Theilnahme erfahren. Es ist schon schwer genug die allgemeine Weltlast mit mir zu tragen, und wo soll die Kraft dazu herkommen, wenn wir in unserm Innersten und Eigensten verletzt werden, wohin wir denn doch immer, in jedem äußersten Falle, wieder zurüchgewiesen sind.

So wie ich bisher gethan, denke ich auch zunächst mich, und was von mir übrig ist, zusammenzuhalten, und was ich mitzutheilen habe, unter der Form meines biographischen Versuches zu überliefern. Sie sehen aus dem Bisherigen, daß ich in demselbigen Sinn und Ton fortfahren kann, und daß mich, im Verlauf, mehr persönliche Verhältnisse, als die allgemeinen, hindern könnten weniger frymüthig zu seyn. Doch denke ich auch hier, was entgegensteht, dergestalt zu überwinden, daß mein Büchlein, mit der zu hoffenden, nicht allein freymüthigen sondern auch wahrhaft tüchtigen und gründlichen Epoche gleichen Schritt halte. Auch naht die Zeit heran, wo ich meine gesammelten Arbeiten auf's neue wieder herauszugeben habe. Ich werde diese Gelegenheit benutzen, manches Ältere, was bisher zurückgeblieben, wäre es auch nur um eines historischen Interesse willen, darzubringen.

Möge sich Deutschland bald beruhigen, und auf eine Weise gestalten, daß wir, nach Erfüllung so schöner Hoffnungen, uns noch endlich einmal froh wiedersehen mögen.

[252] Mich Ihrem freundschaftlichen Andenken auf's dringendste empfehlend

Weimar d. 8. May 1814.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Friedrich Maximilian Klinger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-82B3-1