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An Carl Friedrich Zelter

Hagedorns Gedichte 2. Bd. p. 214.

»Ein Künstler, welcher sich des Griffels Ruhm erworben,
Der einen Ridinger, und Schmidt, und Preißler ziert.«

Hier also auch ein poetisches Zeugniß in deinen Stammbaum, welches um so nöthiger ist, als die Welt doch von jeher die Anmaßung der Poeten begünstigt hat: als seyen sie die einzigen wahren Gewalthaber und Ausspender des Ruhms.

Der übersendete Abdruck von Schmidts russischer Kaiserin ist von viel Bedeutung. Ich lasse sie auf Leinwand aufziehen, wodurch sie möglichst hergestellt wird, und ich freue mich darauf, sie alsdenn mit Meyern recht genau zu betrachten. Doch zeigte mir dieß Werk bey'm ersten Anblick recht deutlich warum ich diesem trefflichen Mann niemals habe etwas abgewinnen können. Er war zu der unseligen Zeit geboren wo alle Umgebungen der Menschen, Kleider und Mobilien sich in's Abgeschwackte verloren hatten; die widerwärtigsten Anhäufungen von Prachtschnörkeln waren mir, der ich gerade bey der Rückkehr der Ein falt mich zu bilden anfing, höchst zuwider und ich glaube mich noch zu erinnern, daß ich gerade diese Kaiserin mit Abscheu von mir wies.

[100] Sieht man in jene Epoche zurück, so findet sich: daß er fast mit keinem eigentlich würdigen Künstler zu gleicher Zeit lebte und sich also mit dem Falscher associiren mußte. Sein Ergreifen von Rembrandts Verdiensten zeigt seinen großen tüchtigen Sinn; es ist aber sehr glücklich daß gerade, da Longhi auf das Technische aufmerksam macht, du mir mit so vorzüglichen Beyspielen zu Hülfe kommst.

Auch ist es für ein günstiges Geschick zu achten daß eben jetzt unter den Kupferstichen, die mir von Zeit zu Zeit von Leipzig zur Auswahl gesendet werden, gar wohl erhaltene Arbeiten von ihm sich finden.

Bey allen diesen Ereignissen kann ich mein Glück nicht genug schätzen daß ich so früh in das Interesse der bildenden Kunst daß ich so früh in das Interesse der bildenden Kunst herangetrieben worden. Da ich nun kein Talent zur Ausübung belaß, mußte ich mich mehr im Erkenntniß bemühen und davon hab ich mir erworben gerade soviel als ich vor's Haus brauche, d.h. daß mein Enthusiasmus für irgend ein Werk verständig seyn und dauernd werden konnte.

Da ich nun durch obgemeldete Sendungen gar oft vorzügliche Künstler kennen deren Namen ich nie gehört, so macht dieses die Welt so reich, weil ihr Talent vollkommen gegenwärtig ist. Mit der Poesie ist es ein ganz Anders, da muß ich gar zuviel hinzuthun und weiß nicht recht ob ich wohl thue, das eine aufzunehmen und das andere abzulehnen. Die [101] Musik, in der du lebst und webst, verschwindet mir, fast ganz aus den ungeübten Sinnen.

Von den modernsten deutschen Dichter kommt mir Wunderliches zu: Gedichte von Gustav Pfizer wurden mir diese Tage zugeschickt, ich las hie und da in dem halbaufgeschnittenen Bändchen. Der Dichter scheint mir ein wirkliches Talent zu haben und auch ein guter Mensch zu seyn. Aber es ward mir im Lesen gleich so armselig zu Muth und ich legte das Büchlein eilig weg, da man sich bey'm Eindringen der Cholera vor allen deprimirenden Unpotenzen strengstens hüten soll. Das Werklein ist an Uhland dedicirt und das der Region worin dieser waltet möchte wohl nichts aufregendes, Tüchtiges, das Menschengeschick Bezwingendes hervorgehen. So will ich auch diese Production nicht schelten, aber nicht wieder hineinsehen. Wundersam ist es wie sich die Herrlein einen gewissen sittigen-religios-poetischen Bettlermantel so geschickt umzuschlagen wissen, daß, wenn auch der Ellenbogen herausguckt, man diesen Mangel für eine poetische Intention halten muß. Ich leg es bey der nächsten Sendung bey, damit es nur aus dem Hause schaffe.

Soviel für heute! die Fortsetzung ist schon im Reinen.

W. d. 4. Octbr. 1831.

G. [102]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-82CA-F