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An Philipp Otto Runge
Weimar den 2. Juny 1806.
Lange will ich nicht zaudern, werthester Herr Runge, Ihnen für die Blätter zu danken, welche mir sehr viel Vergnügen gemacht haben. Zwar wünschte ich nicht, daß die Kunst im Ganzen den Weg verfolgte, den Sie eingeschlagen haben, aber es ist doch höchst erfreulich zu sehen, wie talentvolles Indivi-[132] duum sich in seiner Eigentlich dergestalt ausbilden kann, daß es zu einer Vollendung gelangt, die man bewundern muß. Wir glauben Ihre sinnvollen Bilder nicht eben ganz zu verstehen, aber wir verweilen gern dabey und vertiefen uns öfter in Ihre geheimnißvolle anmuthige Welt. Dabey wissen wir besonders die bedeutende genaue und zarte Ausführung zu schätzen. Sagen Sie mir doch gelegentlich, ob Sie diese Blätter selbst auf Kupfer gebracht haben, wie wir an der Unmittelbarkeit des Ausdrucks vermuthen. Sagen Sie mir ferner, ob Sie nicht eins und das andere nur illuminirt und angefärbt, nicht ausgemahlt, mittheilen möchten. Das gäbe vielleicht Gelegenheit, sich über Farbe und ihren Sinn wechselseitig zu äußern. Mögen Sie mir aber hierüber auch nur etwas in Worten mit theilen, so sollte es mir sehr angenehm seyn. Noch einer Wunsch. Sie schneiden Blumen und Kränze mit so großer Leichtigkeit aus. Schicken Sie mir doch gelegentlich eine solche Arbeit, damit wir auch darin uns der Fruchtbarkeit Ihres Talents erfreuen können. Schließlich ersuche ich Sie um Ihre Silhouette und hoffe, für so manches Gute auch künftig etwas angenehmes erzeigen zu können.
Goethe.