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An Friedrich Schiller
Die Gelegenheit Ihnen durch Frl. von Göchhausen diesen Brief zu übersenden versäume ich nicht. Nach überstandnen leidlichen und bösen Wegen bin ich am 4ten Abends angelangt, das Wetter war biß heute äusserst schlecht und der erste Sonnenblick scheint nur vorübergehend zu seyn. Die Gesselschaft ist zahlreich und gut, man beklagt sich, wie immer, über den Mangel an Harmonie und jeder lebt auf seine Weise. Ich habe nur gesehen und geschwätzt, was sonst werden und gedeihen wird muß abgewartet werden. Auf alle Fälle habe ich gleich einen kleinen Roman aus dem Stegreife angeknüpft, der höchst nöthig ist um einen Morgens um 5 Uhr aus dem Bette zu locken. Hoffentlich werden wir die Gesinnungen dergestalt mäßigen und die Begebenheiten so zu leiten wissen daß er vierzehn Tage aushalten kann.
Als berühmter Schriftsteller bin ich übrigens recht gut aufgenommen worden, wobey es doch nicht an Demüthigungen gefehlt hat. Z.B. sagte mir ein allerliebstes Weibchen: sie habe meine letzten Schriften mit dem größten Vergnügen gelesen, besonders habe sie Giaffar der Barmecide über alle Massen interessirt. Sie können dencken daß ich mit der größten Bescheidenheit mich in Freud Klingers hinterlaßne arabische Garderobe einhüllte und so meiner Gönnerinn[276] in dem vortheilhaftester Lichte erschien. Und ich darf nicht fürchten daß sie in diesen drey Wochen aus ihrem Irrthume gerissen wird.
Die vielen Menschen, unter denen sehr interessante sind, lerne ich nach und nach kennen und werde Ihnen manches zu erzählen haben.
Indem ich auf meiner Herreise einige alte Mährchen durchdachte ist mir verschiednes über die Behandlungs Art derselben durch den Kopf gegangen. Ich will ehstens eins schreiben damit wir einen Text vor uns haben. Leben Sie recht wohl mit den Ihrigen und dencken mein.
Carlsbad d. 8. Jul. 1795.
G.