8/2543.

An Charlotte von Stein

d. 29. [und 30.] Dec. 86.

Immer muß ich wiederhohlen: ich glaubte wohl hier etwas rechts zu lernen, daß ich aber soweit in die Schule zurückgehen müßte glaubt ich nicht, und je mehr ich mich selbst verläugnen muß je mehr freut es mich. Ich bin wie ein Baumeister der einen Thurm aufführen wollte und ein schlechtes Fundament gelegt hatte; er wird es noch bey Zeiten gewahr und bricht gerne wieder ab, was er schon aus der Erde gebracht hat, um sich seines Grundes mehr zu versichern und freut sich schon im Voraus der gewissern Festigkeit seines Baues. Daß ich in der letzten Zeit die Natur so eifrig und gründlich studirte hilft mir auch jetzt in der Kunst. Gebe der Himmel daß du bey meiner Rückkehr auch die moralischen Vortheile an mir fühlest die mir das Leben in einer weitern Welt gebracht hat.

Tischbein mahlt mich jetzo. Ich laße ihn gehn, denn einem solchen Künstler muß man nicht einreden. Er mahlt mich Lebensgröße, in einen weisen Mantel gehüllt, in freyer Luft auf Ruinen sitzend und im Hintergrunde die Campagna di Roma. Es giebt ein schönes Bild, nur zu groß für unsre Nordische Wohnungen.

[105] Damit du auch gleich etwas von der Verbesserung meines Zustandes fühlest, will ich dir vertrauen wie ich meine Reise einzurichten dencke.

Zwischen hier und Ostern seh ich was ich noch in Rom zu sehn habe, und Neapel. Nach Sicilien geh ich nicht; ich bin nicht vorbereitet genug, habe weder Geld noch Zeit genug. Den April und May bring ich auf meiner Rückreise bis an die Alpen zu. Den Juni und Juli durch die Schweitz, den Rhein hin, bis Franckfurt und im August seh ich dich wieder. Gieb mir deinen Segen zu diesem Vorhaben und verschließe dich nicht vor mir.

Fritz muß mir bis Franckfurt entgegen kommen. Daß du mit deiner Schwester kämest kann ich kaum hoffen. – Beladen mit Phasanen denck ich nur an die Rückkehr und Euch das Beste zu bringen und zu widmen.

Da ich keine vollständige Idee von Italien mitnehmen kann, will ich wenigstens das was ich sehe mit eignen Augen und nach eigner Art sehen. Es wird mir mit diesem Lande wie mit meinen Lieblingswissenschafften gehn. Auf den ersten sichern Blick kommt alles an, das übrige gibt sich, und durch Schrifft und Tradition hat man keinen sichern Blick. Nun aber werd ich gern lesen und hören und was sich hierauf bezieht sammeln, denn ich kann nun etwas dabey dencken ich kann es beurtheilen.

Daß Fritz nichtmehrin meinem Hause ist, betrübt[106] mich. Ich glaubte es recht gut gemacht zu haben. Ich hatte ihn in meine Stube installirt und Seideln bey ihm zu schlafen bestellt. – Es sey das letzte mal, wills Gott, daß ich stumm ein solch Unternehmen ausführe, möge mir doch ein guter Genius immer die Lippe offen halten.


d. 30. Dec. 86.

Dein Brief vom 11. Dec. der eben anlangt, Briefe von Herder, Knebel, machen mir auf einmal große Freude. Du sollst auch immerfort von mir hören. Schreibet mir auch immerfort, nur den letzten Montag im Febr. gebt die letzten Briefe für Rom auf die Post, wenn inzwischen nichts sich verändert. Ich freue mich unsäglich jeder Zeile von dir und schließe mich täglich mehr an Euch fest. Von meinem Rückreise Plan sagst du nur dem Herzog und den nächsten. Empfiel mich dem Herzog ich habe noch keinen Brief von ihm.

Wegen des Kastens siehe beyliegenden Brief an Seidel. Ich begreife nicht daß er ihn nicht aufgemacht hat. Der Caffee ist für dich und für die Freunde die du damit regaliren willst. Sollte das Tagbuch glücklich angekommen seyn; so schreibe mir es gleich daß ich beruhigt werde.

Leb wohl. Grüße Fritzen. Die Waldnern und Steinen. Dancke der Waldner für die Nachricht des brennbaren Wassers ich bringe ihr ein Fläschgen mit. Ganz der deine. Empfiel mich der Herzoginn sie wird einen Brief von mir haben. Leb wohl und wohl.

[107]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786 [2]. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8520-6