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An Carl Ludwig von Knebel

Es freut mich sehr, daß mein letztes Heft dir einen freundlichen Antheil abgewonnen; ich habe gar manches und vieles darin über einander gehäuft; denn diesen Dingen gebührlich zu folgen möchte wohl nicht mehr Zeit seyn.

Ich gestehe dir, daß ich manchmal mich im Stillen gewundert habe, wie du, bey tiefster und treuster Anerkennung des Lucrezischen Gedichtes, dich nicht hast mit leichter Wendung zur Natur herüber werfen können. Doch hielt vielleicht gerade die Trefflichkeit unseres alten Vorfahren dich davon zurück: denn da er doch eigentlich ganz speculativ ist, so hättest du müssen ihm den Rücken zukehren, um nach deiner Weise die Natur anzuschauen, die du schön von ihm reflectirt erblicktest.

[90] Doch laß uns zufrieden seyn mit dem was wir gethan haben und erreicht haben, da unsere Nachfahren auf eine so löbliche Weise uns fortzusetzen versprechen. Dr. Carus ist ein trefflicher Mann; er schreibt mir: »Da meine neuern Arbeiten mich übrigens auf eine Abänderung des § XV in den allgemein naturwissenschaftlichen Sätzen geführt haben und mir gerade eine Gedanken-Folge, welche mich zu dieser Änderung bewog, in mancher Hinsicht ergiebig an sonstiger Ausbeute scheint, so wollte ich nicht verfehlen Ew. pp. eine Abschrift dieser Überarbeitung hier zu beliebigem Gebrauche beyzulegen.«

Von dieser Abänderung übersende dir hiebey eine Abschrift, welche dich sehr erfreuen und zu vielen Gedanken veranlassen wird; wollte man es auch nur als eine Formel gelten lassen, wodurch der menschliche Geist das Unbegreifliche sich aneignen möchte; so steht sie doch sehr hoch und macht dem Individuum Ehre, von dem sie ausging.

Was sagst du zu der wunderlichen Übersetzung der Odysee? Kann man sie auch nicht billigen, so darf man sie doch auch nicht schelten.

treu angehörig

Weimar den 24. Januar 1825.

G. [91]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-853A-E