6/2026.
An den Herzog Carl August
Ungern schreibe ich diesen Brief anstatt selbst zu kommen, da ich sehe daß es Ihnen ein Vergnügen [404] machen würde mich in Frankfurt zu finden. Soviele innre sowie äußere Ursachen halten mich ab, daß ich Ihrem Rufe nicht folgen kann. Möge es Ihnen recht wohl gehn und diese Reise der es nun bald an sauern Unbequemlichkeiten nicht fehlen kann Ihnen von recht großem Nutzen werden.
Mich heist das Herz das Ende des Jahres in Sammlung zubringen, ich vollende mancherley im Thun und Lernen und bereite mir die Folge einer stillen Thätigkeit aufs nächste Jahr vor, und fürchte mich vor neuen Ideen die ausser dem Kreise meiner Bestimmung liegen. Ich habe deren so genug und zu viel, der Haushalt ist eng und die Seele ist unersättlich.
Ich habe so oft bemerckt daß wenn man wieder nach Hause kommt die Seele statt sich nach dem Zustand den man findet einzuengen, lieber den Zustand zu der Weite aus der man kömmt ausdehnen möchte, und wenn das nicht geht so sucht man doch so viel als möglich von neuen Ideen hereinzubringen und zu pfropfen, ohne gleich zu bemercken ob sie auch hereingehen und passen oder nicht. Selbst in den letzten Zeiten, da ich doch jetzt selbst in der Fremde nur zu Hause bin, hab ich mich vor diesem Übel, oder wenn Sie wollen vor dieser natürlichen Folge nicht ganz sichern können.
Es kostet mich mehr mich zusammen zu halten als es scheint, und nur die Überzeugung der Nothwendigkeit [405] und des unfehlbaren Nutzens hat mich zu der passiven Diät bringen können an der ich jetzo so fest hange.
Leben Sie recht wohl und kommen glücklich wieder zu uns. Diesmal kann ich nicht mehr schreiben.
Die erwartete Frau von Reck ist angekommen, eingehohlt von Bode. Es hat sie noch Niemand gesehn.
Leben Sie wohl, ich bin recht neugierig, auf das was Sie uns mitbringen; denn Sie haben doch manches wunderbare erfahren.
Weimar d. 6. Dez. 1784.
Goethe.