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An Johann Heinrich Voß

Sie erhalten, werthester Mann, hierbey die vier Bände meines Romans, eines freylich voluminosen Werkes, das Sie, wie ich hoffe, schon mit einiger Nachsicht gelesen haben; lassen Sie es unter Ihren Büchern stehen und gedenken dabey manchmal meiner.

Eigentlich bin ich aber sehr froh, daß ich diese Composition, die ihrer Natur nach nicht rein poetisch seyn kann, nunmehr hinter mir sehe, um an etwas zu gehen das nicht so lang und wie ich für mich und andere hoffe, befriedigender ist. Bald werden Sie vielleicht die Ankündigung einer epischen Arbeit sehen; was davon fertig ist, war die Frucht der schönen Herbstzeit, zum Schluß und zur Ausarbeitung muß[277] ich die neuen Frühlingstage erwarten. Ich werde nicht verschweigen, wie viel ich bey dieser Arbeit unserm Wolf und Ihnen schuldig bin. Sie haben mir den Weg gezeigt und er tat mir Muth gemacht ihn zu gehen.

Herr v. Humboldt, der von seiner Reise vergnügt und gesund zurückgekommen ist, sieht als einen lichten Punkt derselben die Zeit an, die er bey Ihnen zugebracht hat und hängt mit wahrer Neigung und Liebe an Ihnen.

Möchten wir doch nie wieder einander so nah seyn ohne uns zu sehen. Da Sie erst voriges Jahr in unsern Gegenden waren und ich in diesem Frühling wenn es nur einigermaßen möglich ist, über die Alpen zu gehen gedenke, so habe ich wenig Hoffnung dazu.

Nun eine Bitte: Ein Engländer, der bey uns durchreiste und Ihre Homerische Übersetzung suchte, aber im Buchladen nicht fand, sprach mit so viel Wärme und Freude von Ihrer Charte der alten Welt, daß ich mich nicht enthalten konnte, sie aus meinem Exemplar herauszuheben und sie ihm auf den Weg mitzugeben; könnten Sie mir wohl ein oder ein paar Exemplare dieser Charte verschaffen? so wohl um Ihren Homer wieder zu completiren, als auch sie immer vor Augen zu haben. Wäre es doch überhaupt nur möglich daß Sie uns mit der subjectiven alten Geographie und mit dem objectiven Wachsthum [278] derselben nach und nach bekannt machten. Leben Sie recht wohl und erhalten mir ein liebevolles Andenken.

Weimar am 6. Dec. 1796.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1796. An Johann Heinrich Voß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-86F0-A