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An den Herzog Carl August

[Concept.]

[27. December 1814.]

Ew. Durchl.

meine Rückkehr nach Weimar zu melden habe bisher gezaudert, weil mein Wunsch war, zugleich auch Einiges von erneuter Thätigkeit und Wirksamkeit vorzutragen. Da mir aber dergleichen bis jetzt noch nicht recht gelingen wollen, so soll wenigstens die Epoche wo die Sonne wieder uns näher rückt nicht vorübergehen, ohne den allgemeinen Wunsch in dem meinigen auszusprechen, daß Ew, Durchl. sich uns wieder bald nähern möchten.

Schon manches Schöne und Nützliche, welches wir Ihren Reisen verdanken, ist bey uns angelangt, wogegen freylich das Wenige, was ich unterwegs aufgelesen, nicht in Betracht kommt. Indessen will ich doch erwähnen, daß, nachdem ich in Darmstadt von Prinz Christian erfahren, daß Ew. Durchl. eine Nachbildung des wundersam verknöcherten Schädels, im dortigen Museum, wünschten, ich den Kabinettsrath Schleiermacher ersucht habe, einen Gypsabguß davon zu besorgen, weil auf diesem Wege allein die seltsame Abnormität jener Krankheitswirkung erkannt werden könnte.

In Jena habe ich einige Wochen zugebracht, müßte aber davon kaum etwas mehr zu referiren, als was[115] Ew. Durchlaucht selbst bey Ihro Durchreise wahrgenommen. Mit dem Lenzischen Eroberungs- und Ausbreitungs-Geiste kann man wohl zufrieden seyn. Die Anlage der Gebirgsfolgen wird in kurzer Zeit sich sehr erweitern, und, wenn sie dann gesichtet und naturgemäß geordnet wird, zu gründlicher Kenntniß dieses wissenschaftlichen Faches nicht wenig beytragen. Auf meiner Reise habe ich mich viel mit den Gebirgen beschäftigt, über ihre Beschaffenheit und Gründung manches gesehen, gehört und gedacht, man findet aber auch hier, daß je mehr die Menschen erfahren, desto verschiedner die Meinungen werden.

Die Ew. Durchl. nicht unbekannt gebliebenen Mißhelligkeiten der akademischen Lehrer betreffend, darf ich mir schmeicheln, daß mein Aufenthalt nicht ohne Frucht gewesen. Ich habe die meisten gesprochen, besucht, und mich mit ihnen über Wissenschaftliches und Öffentliches unterhalten; da sieht man denn freylich, wie es fast unmöglich ist, daß ein aus sehr heterogenen Theilen zusammengesetzter Körper in sich selbst und mit seinen Obern Friede halte. Da übrigens ein solches Corpus den Vortheil hat, bey allen seinen Gebrechen unsterblich zu seyn, so ist es kein Unglück, wenn einmal der Patient einen Diätfehler begeht und der Arzt sich in der Arzney vergreift.

Mit dem Theater ist's dieselbe Sache, und ich habe große Lust, ein Gespräch im Reich der Todten [116] zwischen dem Canzler einer Akademie und einem Schauspieldirector zu verfassen, wo sie denn zuletzt bey Seelenwandrung die Rollen tauschen.

Leider hat mich mein Jenaischer Aufenthalt um den durcheilenden Sartorius gebracht, bey dem ich mich keineswegs nach dem Wiener Wirrwarr, sonder nach Ew. Durchl. Wohlseyn zu erkundigen hoffte.

Möge nun, da das alte Jahr Unerhörtes und Unglaubliches gebracht hat, das neue Wünschenswerthes und Hoffnungsgemäßes bringen. Und mit welcher freudiger Theilnahme würde ich Ew. Durchl. für soviel Verdienst und Geduld belohnt seyn.

Geheimerath von Dohm hat ein Exemplar der Denkwürdigkeiten seiner Zeit für Ew. Durchl. gesandt, mit dem Anliegen, ob Höchstdieselben nicht geneigt wären, ihm von den Acten, den Fürstenhund betreffend, das Beliebige mitzutheilen. Ich habe ihn mit einigen freundlichen Worten vertröstet.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8734-C