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An Carl Ludwig von Knebel

Zuerst, mein lieber Freund, muß ich dir für dein schönes Gedicht den besten Dank sagen. Es ist trefflich gerathen und zeigt in einem Schüler Lucrezens einen Original-Anbeter der Natur. Herzerhebend für mich ist es, zu sehen, daß wir Alten noch Lust, Muth und Tüchtigkeit haben, indeß die Jüngeren auf das ekelhafteste ächzen und krächzen, und mit großer Selbstgenügsamkeit versichern, daß dieses das ächte und wahre sey.

Was die Kaazischen Zeichnungen betrifft, so würde die Prinzeß daran gewiß viel Freude haben. Es sind sehr schätzbare Entwürfe nach der Natur, auch einige gewissermaßen ausgeführt. Bey den meisten thut einem die Wahl weh. Würde mir eine Summe hier assignirt; so würde ich gleich einen zuverlässigen und kenntnißreichen Freund bevollmächtigen, etwas auszusuchen [402] und unmittelbar an Durchlaucht die Prinzeß abzuschicken. Freylich wünschte ich, daß es bald geschähe: denn die Dinge sind sehr verführerisch, in ihrer Art gut, ja vortrefflich, und verhältnißmäßig von sehr geringem Preis. Ich hatte selbst Lust etwas zu nehmen; aber man giebt des Geldes doch am Ende zu viel aus.

Was das Kranachische Bild betrifft, so ist es wirklich sehr gut und die Freude es zu besitzen noch so neu, daß ich nicht gern die Veranlassung geben möchte, es zu entfernen. Ich würde darüber große Klagen und Vorwürfe hören müssen, denen ich mich nicht aussetzen mag, so gern ich unserer lieben Prinzeß die Freude gönnen möchte, es zu sehen. Wie mir es ergeht und was ich treibe, davon ist nicht viel zu sagen. Vielleicht kann ich in einiger Zeit Früchte von diesem augenblicklichen Stillstande vorweisen. Man hat immer Noth, nach so einer langen Abwesenheit, sich wieder in alles zu finden und zu fügen. Doch würde ich sehr undankbar seyn, wenn ich nicht erkennte, daß man mir den freundlichsten Empfang gegönnt. Durchlaucht der Herzog hat Augusten zum Kammerassessor ernannt und mir ein paar Kutschpferde verehrt; wodurch Jenem ein entschiedener Lebensgang angewiesen, und mir eine große Bequemlichkeit bescheert ist.

Von mancherley interessanten Büchern, Broschüren und ähnlichen Dingen sage ich nichts, um dir nicht [403] allzugroße Lust zu erregen; allein von einem Naturwunder muß ich etwas melden. Es ist die sogenannte Pietra fungaja, welche in Wörterbüchern und sonst als ein Kalktuff beschrieben wird, auf welchem Schwämme wachsen. Die mir aus Italien zugesendete, 15 1/2 Pfund schwere Masse ist aber ganz eigentlich eine colossale Trüffel, deren um sich greifendes Wachsthum manche fremde Körper, Wurzeln, Steine u. dergl. in sich aufgenommen hat, und welche die Eigenschaft zu haben scheint, nach und nach ihre Vegetabilität mit einem steinhaften Wesen zu vertauschen. Kalkartiges ist nichts dabey. Nun kommt es aber hauptsächlich darauf an, ob diese harte Masse, die ich wie ein Tonklumpen schaben läßt, wenn man sie im Keller mit feuchter Erde bedeckt hält, wenigstens auf ihrer Oberfläche wieder zu quellen, zu vegetiren, fortzuwachsen, und wie man behauptet, eßbar zu werden anfängt. Der Versuch soll nächstens angestellt werden.

Und hiermit lebe recht wohl, grüße die Deinigen. Den Brief unser lieben Prinzeß lege ich wieder bey. Empfiehl mich ihr zum allerbesten, so wie auch deiner Fräulein Schwester. Wenn es mir möglich ist, so ersehe ich noch für einen Augenblick die Gelegenheit, vor Ende Octobers zu euch zu kommen

Weimar den 20. October 1810.

G. [404]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-886A-A