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An Carl Friedrich Zelter

Greife eben zur Feder und tauche sie ein wie es gehen will! Ich begreife wohl daß du schwer dazu kommst, da es in deinem bewegten Leben wunderlich genug aussieht; mein unbewegtes ist doch schon, verhältnißmäßig, dergestalt beschäftigt daß mir nach außen zu wirken kaum noch einiges Behagen bleibt.

Deinen guten Taschenbuchs-Brüdern ist mir durchaus unmöglich etwas mitzutheilen. Willst du ihnen[148] Cantate und Lied zu deinem Ehrentage vergönnen so hab ich nichts dagegen. War es in einem gewissen Kreise bekannt, so ist's auch wohl schon vergessen; genug so meyn ich's, thue nach Belieben und Umständen.

Der treffliche Cotta brüstet sich in dem nächsten Damen-Taschenbuche mit königlichen Gedichten; ich konnte nichts dazu liefern und mußte die doppelt dringenden Anforderungen ablehnen. Was sie brauchen hab ich nicht und was ich habe können Sie nicht brauchen.

Glück zu deinem Studenten-Chor! ich glaube wohl daß die neuern Ohren, welche sich nur am Sehnsuchtsgeschleif und Gesäusel hinhalten, einen kräftigen Herz und Dach erhebenden Gesang schrecklich finden müssen; ihr Choralgesang bleibt doch immer:Ein laues Bad ist unser Thee, und dann denken Sie doch nebenher Sie hätten was von einer festen Burg und irgend ein Gott bekümmere sich um sie.

Die zwey letzten Lieferungen meiner Werke gehen sogleich ab. Mit dem 3. Bande des Briefwechsels ist's noch so eine Sache; ich will sehen auch hier nachzuhelfen. Sehr schwer ist's im laufenden Leben in solchen Dingen Ordnung zu halten.

Recht artig ist es daß du dein Maurer-Jubiläum zugleich mit dem meinigen gefeyert hast. Am Vorabende des St. Johannisfestes ward ich, vor 50 Jahren, hier in Ordnung aufgenommen. Die Herren haben mit der größten Artigkeit diese Epoche behandelt und ich erwiderte am andern Tage freundlich ihre Gesinnung.[149] Beides wirst du aus anliegenden Blättern ersehen. Kannst du aus den Strophen was machen, so thu's; ihr habt ja auch alle Augenblick 50 Jahr vorüber, und das Menschliche paßt überall hin.

Es thut mir Leid wenn meine Forschungen dem wohlwollenden Botaniker unbequem sind. Meine excentrische Bahn tritt irgend einmal in dieses wissenschaftliche System herein, und ich muß mir gefallen lassen nicht alles zu finden was ich suche. aber auch die Bemühung verdank ich schon, und [in] ihren weiten und breiten Verhältnissen sind sie sogar wohl im Falle, dergleichen, sich und andern zu Nutz, herbey zu schaffen.

Von meinem Sohn will ich noch soviel melden: daß er mit ruhiger Aufmerksamkeit sich umsieht und recht ausführlich Tagebücher schreibt, worauf doch alles ankommt; die Gegenstände schwinden und die Eindrücke verlöschen. Er ging von Mailand, nachdem er die Stadt, so wie die Umgegend, wirklich erschöpft hatte, über Brescia, Verona, Padua nach Venedig, welches er auch recht wacker durchstöberte. Sodann über Mantua, Cremona, Lodi nach Mailand zurück. Hier nahm er noch alle Überbleibsel auf, machte Bekanntschaft mit eurem Herrn Professor Mauch; sie gefielen sich und gingen etwa den 5. Juli nach Genua. Eckermann begleitet ihn bisher und auch so weiter. Mein Sohn ist wirklich als realistisch Reisender ganz musterhaft und fühlte erst jetzt wie viel [150] Kenntnisse er eingesogen hat Seine Ansicht bewies er auch dadurch daß er mir zu meiner Sammlung von Medaillen, besonders gegossenen, aus dem 15. und 16. Säculum beynahe 100 Stück von der wichtigsten Sorte, um einen leiblichen Preis, eingekauft hat, welche auch schon zu meiner großen Ergötzniß glücklich angekommen sind.

Was oben von Büchern und Blättern zugesagt ist folgt mit der fahrenden Post, und somit meines hochverehrten Herrn Doctors treu Angehöriger.

G.

Weimar den 18. Juli 1830.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-89E5-E